Fußball-Märchen in Zeiten des Syrien-Kriegs
6. September 2017Als Omar Al-Soma in der dritten Minute der Nachspielzeit den iranischen Torwart Alireza Salimi tunnelt und der Ball im Netz liegt, brechen alle Dämme. Ausgelassen feiern die Spieler auf dem Platz, der Kommentator des syrischen Fernsehens bricht in Freudentränen aus. Auch in Damaskus, wo die Partie an mehreren Plätzen auf Großleinwänden übertragen wird, kennt der Jubel keine Grenzen. Mit dem Last-Minute-Tor in Teheran zum 2:2 sichert sich Syrien Platz drei in der Asien-Qualifikationsgruppe 1 und damit den Einzug in die Playoff-Spiele gegen Australien, den Dritten der anderen Asien-Gruppe. Das vom Bürgerkrieg zerrissene Syrien darf von der ersten Teilnahme an einer Fußball-Weltmeisterschaft träumen. Schon der Einzug in die Playoffs zur WM 2018 ist der größte Erfolg in der Fußballgeschichte Syriens.
Auf der Fahndungsliste
"So Gott will, wird die Reise weitergehen. Die Qualifikation beginnt für uns jetzt wieder neu. Alle Spieler unseres Teams waren von der ersten bis zur letzten Minuten Helden auf dem Platz", schwärmte Torschütze Al-Soma nach dem Abpfiff. Dass ausgerechnet der 28-Jährige den "goldenen" Treffer für Syrien erzielte, war die große Geschichte dieses denkwürdigen Abends in Teheran. Der Stürmer hatte zu einer Gruppe von Spielern gehört, die sich aus Protest gegen Machthaber Baschar al-Assad jahrelang geweigert hatten, für ihr Heimatland aufzulaufen.
Angeblich stand Al-Soma Ende 2014 angeblich auf einer Liste von mehr als 500.000 im Ausland lebenden Syrern, für die Haftbefehle des syrischen Geheimdienstes vorlagen. Der Torjäger verdient sein Geld seit Mitte 2014 beim saudischen Klub Al-Ahli.
"Heimspiele" in Malaysia
Erst im vorletzten Qualifikationsspiel am vergangenen Donnerstag gegen Katar waren Al-Soma und der andere syrische Stürmerstar Firas Al-Khatib ins Nationalteam zurückgekehrt. "Ich hoffe, dass wir die Leute froh machen können, sie haben es wirklich nötig", hatte Al-Soma nach dem 3:1-Erfolg mit Blick auf seine vom Bürgerkrieg gebeutelten Landsleute gesagt. Wegen des Kriegs hatte das syrische Team alle "Heimspiele" der WM-Qualifikation in Paroi in Malaysia austragen müssen. Nur einige hundert Fans verloren sich daher auf den Rängen des 45.000 Zuschauer fassenden Stadions.
Nationaltrainer im Assad-T-Shirt
Das Regime Assads hatte lange versucht, mit der Nationalelf Werbung in eigener Sache zu betreiben. Vor zwei Jahren erschien der damalige Nationaltrainer Fajr Ibrahim bei einer Pressekonferenz in einem T-Shirt mit dem Konterfei des Staatschefs.
2016 wurde er von Ayman Hakeem ersetzt. "Wir machen eine schwere Zeit durch", sagte Hakeem seinerzeit. Daran hat sich trotz des Fußball-Märchens von Teheran nichts geändert.