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Fukushima: Japans langer Kampf um die nukleare Reinigung

12. März 2024

Die Sicherung des havarierten Fukushima-Kernkraftwerks bleibt nach wie vor eine gigantische Herausforderung für Japan. Trotz intensiver Bemühungen verlangsamen Rückschläge den Prozess.

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Japan Ableitung von Fukushima-Wasser soll beginnen | Tanks
hunderte von Containern mit AKW-Wasser in FukushimaBild: Kyodo via REUTERS

Vor dreizehn Jahren hat Japan das schwerste Erdbeben seiner Geschichte erlebt. Die daraus resultierende Flutwelle verwüstete ganze Landstriche und führte zur Atomkatastrophe von Fukushima. Zehntausende Einwohner mussten evakuiert werden.

Seitdem müssen die Reaktoren stabilisiert werden. Die Herausforderung besteht darin, die großen Mengen an entwichenem Kernbrennstoff aus den Reaktoren zu bergen, um die Freisetzung weiterer Strahlung zu stoppen. Diese schwierige Aufgabe muss in Gebäuden erledigt werden, in denen die radioaktive Verschmutzung immer noch gefährlich hoch ist. Und sie ist noch nicht erledigt.

Die Tokyo Electric Power Co (TEPCO) als Betreiber des Kraftwerks schätzt, dass die Arbeiten zur Sicherung des Standorts zwischen 30 und 40 Jahre dauern werden. Die jüngsten Berichte über die Fortschritte vor Ort waren jedoch größtenteils negativ.

TEPCO verzögert Tests

Im Januar gab TEPCO bekannt, dass Tests mit einem Roboterarm zur Entfernung von radioaktivem Material aus Reaktor Nr. 2 aufgrund technischer Probleme erneut verschoben werden müssten. Nun soll der ferngesteuerte Roboter im Oktober 2024 in Betrieb genommen werden - drei Jahre nach dem ursprünglichen Zeitplan.

Auch andere Bereiche des Projekts standen vor Herausforderungen: Die ersten Drohnen und ein Roboter, die Anfang des Monats in das Reaktorgebäude Nr. 1 geschickt wurden, wiesen Störungen auf und mussten abgezogen werden. Sie sollten aus dem Reaktor ausgetretene geschmolzene Brennstoffreste lokalisieren und andere Schäden kartieren.

TEPCO behauptet jedoch, es würden stetige Fortschritte erzielt und das 30- bis 40-Jahres-Ziel für die Stilllegung sei weiterhin realisierbar. "Wir kommen mit jeder Aufgabe, die zur Erreichung des Hauptziels erforderlich ist, sicher und stetig voran", erklärt das Unternehmen gegenüber der DW. "Basierend auf der Roadmap und der 'Risikokarte' der Nuklearregulierungsbehörde wurden die Schritte zur Stilllegung, die in den nächsten zehn Jahren unternommen werden sollen, im Aktionsplan für die mittel- und langfristige Stilllegung zusammengestellt. Dieser Plan wird in regelmäßigen Abständen im Hinblick auf den Fortschritt der Stilllegung und das Auftreten neuer Probleme überarbeitet."

Japan I Wissenschaftler testen Fische aus Fukushima nach der Freisetzung von AKW-Wasser
Wissenschaftler testen Fische aus Fukushima nach der Freisetzung von AKW-Wasser, Oktober 2023Bild: Eugene Hoshiko/Pool/REUTERS

Das Unternehmen betont seine Erfolge, darunter die vollständige Entfernung verbrauchter Kernbrennstoffe aus den Einheiten drei und vier auf dem Gelände sowie eine deutliche Reduzierung der Wassermengen, die in die Kammern unterhalb der Reaktoren fließen und dort verstrahlt werden. Zudem erfolge die erfolgreiche Behandlung des radioaktiven Wassers gemäß den Standards der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), bevor es in den Pazifischen Ozean abgegeben werde.

Schwierige Umstände

Tatsächlich sei der bisherige Fortschritt trotz zahlreicher Herausforderungen überwiegend positiv zu bewerten, sagt Vincent Gorgues, der Stabschef des französischen Hochkommissars für Nuklearenergie und derzeit einer von drei internationalen Sonderberatern der Japanischen Gesellschaft für "Schadensausgleich und Stilllegungsförderung im Nuklearbereich". "Nukleare Projekte sind komplex", sagt er der DW. "Und Stilllegungsprojekte sind besonders speziell. Sie weisen einen höheren Schwierigkeitsgrad auf. Da spielen vor allem die Unsicherheiten über den ursprünglichen Zustand der Anlage eine Rolle, sowie der Schwierigkeiten bei der sicheren Verwaltung aller radioaktiven Abfallströme."

Diese Komplexität vervielfache sich am Standort Fukushima, erklärt Gorgues weiter: "Noch heute ist der Zugang zu den Reaktorgebäuden sehr schwierig und erfordert vollständig ferngesteuerte Eingriffsmöglichkeiten". Es sei eine große Herausforderung, Untersuchungen durchzuführen und eine genaue Vorstellung davon zu gewinnen, "was getan werden muss, noch bevor überlegt wird, wie es getan werden soll". Darüber hinaus habe jeder der drei beschädigten Reaktoren seine eigenen spezifischen Herausforderungen. Und es fehle ein Lagerort für den hochradioaktiven Nuklearabfall, der von der Baustelle entfernt werden müsse, betont der Sonderberater.

Die wichtigsten Schritte bestehen nun darin, den gesamten abgebrannten Kernbrennstoff, ob intakt oder ausgelaufen, aus den Reaktorgebäuden eins und zwei zu entfernen und die Brennstoffreste aus den teilweisen Kernschmelzen zu bergen und zu entsorgen. Gorgues plädiert zudem für eine schnellere Freisetzung des behandelten Wassers aus dem Werk, um die Hunderten von Lagertanks abzubauen, die derzeit einen Großteil des Geländes einnehmen. "Dieser Platz wird für neue Einrichtungen zur Abfallbehandlung und Abfalllagerung benötigt".

Fukushima: Wohin mit dem strahlenbelasteten Kühlwasser?

Der Experte relativiert auch Vermutungen, wonach TEPCO den deklarierten Zeitplan für den Stilllegungsprozess wahrscheinlich nicht einhalten könne. Der Zeitplan von drei oder vier Jahrzehnten sei "ein Ziel" und keine Frist: "Das ist kein Wettrennen, sondern ein strukturierter, sorgfältiger, schrittweiser Ansatz, der in jeder Phase Zeit erfordert, um die beste Strategie zu bestimmen und sowohl kurzfristige als auch langfristige Sicherheit zu gewährleisten." Gorgues fügt hinzu, dass die radiologischen Bedingungen "extrem feindlich" seien.

Dieser grobe Zeitrahmen von 30 bis 40 Jahren hab zwei kommunikative Ziele: zu zeigen, dass es lange dauern würde, aber auch zu zeigen, dass die Last nicht über mehrere Generationen weitergegeben werden würde. "In diesem Sinne müssen wir dieses Ziel betrachten."

Angesichts der einzigartigen Herausforderungen, die sich in Fukushima stellen, sei es unausweichlich gewesen, dass sich der Zeitplan für den Betrieb weiterentwickeln würde. "Ich möchte jedoch betonen, dass diese Verzögerungen gering geblieben sind und dass das meiste von dem, was angekündigt wurde, erreicht wurde", sagt Gorgues. "Unter diesen Bedingungen halte ich das, was bereits getan wurde, für eine bemerkenswerte Leistung."

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam vom Hein

Japan: Atomkraftgegner investieren in erneuerbare Energie

Freiberufliche Mitarbeiter, Julian Ryall
Julian Ryall Korrespondent und Reporter in Tokio