"Fußball als Gewalt-Event"
18. März 2009Reiseverbot für Hooligans, Sicherheitskontrollen wie am Flughafen, keine Stehplätze mehr in Stadien - bisher gibt es das im deutschen Fußball noch nicht. Doch nach den schweren Fan-Krawallen beim Punktspiel der 2. Bundesliga zwischen dem FC St. Pauli und Hansa Rostock vor zwei Wochen denkt der Deutsche Fußball-Bund auch über solche unpopulären Modelle nach. Damit will der DFB den Hooligans den Kampf ansagen.
Gleichzeitig wehrt sich DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach jedoch gegen die Behauptung, es gebe nicht ausreichend Sicherheit für die Zuschauer in deutschen Fußball-Stadien. "In der laufenden Saison ist deutlich geworden, dass die Zwischenfälle in den Stadien immer weniger werden.“ Allerdings gibt Niersbach zu, dass sich diese Zwischenfälle nur einfach nach außen verlagert haben, zum Beispiel bei der An- und Abreise.
In Zahlen sieht das so aus: In der laufenden Saison ist es bisher bei 117 Spielen der beiden Bundesligen und der 3. Liga zu sicherheitsrelevanten Vorkommnissen gekommen. In 100 Fällen wurden Delikte außerhalb der Stadien registriert.
In Dialog treten
Und dafür ist dann die Polizei zuständig. So fielen im vergangenen Jahr 40 Prozent der Großeinsätzen auf den Fußball. Um die Gewalt zwischen rivalisierenden Fans zukünftig einzudämmen, will die Polizei vermehrt auf Kommunikation setzen. In Hannover hat man einen Modellversuch gestartet, bei dem sogenannte Konfliktmanager mit den auswärtigen Fans in Kontakt treten - und es gibt erste Erfolgsmeldungen meint Gewaltforscher Gunter Pilz: "80 Prozent der befragten Fans, die bei diesem Versuch mitgemacht haben, sind der Meinung, dass Konfliktmanager mehr zum Dialog zwischen Polizei und Fans beitragen“. 60 Prozent hätten ebenfalls angegeben, dass so das Feindbild abgebaut werde.
Doch die Polizei-Einsätze kosten die Länder viel Geld und führen zu Personalengpässen in anderen Bereichen. Deshalb fordert die Gewerkschaft der Polizei, dass sich die Fußball-Vereine an den Einsätzen der Beamten finanziell beteiligen sollten. Aber das hat nun die Deutsche Fußball-Liga DFL abgelehnt. Die Begründung: Die Clubs würden bereits jährlich 23,4 Millionen Euro für insgesamt 130.000 Ordnungskräfte ausgeben, so DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus.
Frustbewältigung
Zudem seien die meisten Randalierer Ultras, also fanatische Anhänger, die aber mittlerweile gar keinen Bezug mehr zum Fußball hätten, meint Gewaltforscher Gunter Pilz: "Für viele, vor allem jüngere Menschen, gehört Gewalt zum Ultra-Dasein einfach dazu. Für sie wird das Fußball-Wochenende immer eine Art Gewalt-Event.“
Dass die Krawalle vor, während und nach Fußball-Spielen in Deutschland nicht nur ein sportliches, sondern vor allem ein gesellschaftliches Problem ist, das hat auch mittlerweile die Landespolitik begriffen. Und gibt Geld frei, wie Michael Gabriel, Leiter der Koordinationsstelle Fanprojekte erklärt. "Sachsen, was immer ein Problemkind war, hat letztes Jahr zugestimmt und fördert mittlerweile sechs Fanprojekte.“ Und auch Baden-Württemberg sei als letztes Bundesland vor zwei Monaten dem nationalen Konzept materiell beigetreten und fördere jetzt auch Fanprojekte.
Ob Projekte und Konfliktmanager ausreichen, um die Fanrandale in den Griff zu kriegen, darf bezweifelt werden. Aber es ist ein Anfang. (SF/CK/sid/DPA)