FIFPRO will strukturelle Veränderungen
27. Oktober 2021Die globale Spielergewerkschaft FIFPRO fordert angesichts der Pläne für eine europäische Superliga und eine alle zwei Jahre stattfindende Fußball-Weltmeisterschaft mehr Einfluss auf die Steuerung des Fußballs. "Das derzeitige Regime ist nicht mehr in der Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen oder die Stimmen richtig zu gewichten", sagte FIFPRO-Generalsekretär Jonas Baer-Hoffmann am Dienstag auf einem von seiner Organisation veranstalteten Forum in Brüssel.
"Wir müssen alle in diese Diskussionen mit einbinden, leider tun wir es nicht", sagte Baer-Hoffmann und meinte dabei die UEFA und die europäische Kluborganisation ECA, die es abgelehnt hatten, Vertreter zu der Veranstaltung zu schicken. "Es ist praktisch unmöglich geworden, große konstruktive Entscheidungen zu treffen. Es ist an der Zeit, die Führung des Fußballs grundlegend zu ändern", fügte er hinzu.
Neues Modell der Mitverantwortung
In einem weiteren Gespräch mit der DW sagte Baer-Hoffmann, er glaube, dass es angesichts der Bedrohungen für die Zukunft des Fußballs höchste Zeit für ein neues Modell der Mitverwaltung sei, das auf gemeinsamen Interessen beruhe.
"Es gibt einen klaren Wendepunkt in der Art und Weise, wie das Spiel geführt wird und wie Entscheidungen getroffen werden, und welche Werte die Ergebnisse bestimmen", sagte Baer-Hoffmann. Das liege "im gemeinsamen Interesse des Fußballs, denn wir haben sehr deutlich gesehen, dass es nicht mehr möglich ist, dass eine Institution, eine Führungsperson, die Kontrolle und die Verantwortung für alles übernimmt. Wir brauchen Miteigentümerschaft und Mitverwaltung, um den inneren Wert zu schützen, aber auch, um Dinge, die nicht so gut laufen, zu korrigieren.
Die Spitze der Pyramide
Als Reaktion auf die Pläne für eine Super League und eine alle zwei Jahre stattfindende Weltmeisterschaft haben die FIFPRO und die europäischen Ligen auf der Veranstaltung einen Fünf-Punkte-Katalog präsentiert, in dem sie eine gemeinsame Interessenvertretung, die Berücksichtigung der Rechte der Ligen und Spieler sowie deren Gesundheitsschutz fordern. "Für Topspieler, die an der europäischen Superliga oder alle zwei Jahre an einer Weltmeisterschaft teilnehmen würden, bestände eine sehr direkte Gefahr für ihre Gesundheit", so Baer-Hoffmann.
"Der Fußball konzentriert fast seine gesamte Innovation auf die Spitze der Pyramide. Die Logik ist, dort mehr zu schaffen, wodurch im Sinne der "Trickle-Down-Ökonomie" alle weiter unten davon profitieren. Aber so funktioniert es natürlich nicht immer. Weiter unten stellt sich die Frage nach der wirtschaftlichen Nachhaltigkeit, genau dort, wo die meisten Arbeitsplätze im Fußball zu finden sind, nämlich in den heimischen Ligen." Hier käme das gemeinsame Interesse ins Spiel, so Baer-Hoffmann, dessen Organisation 65.000 Spieler vertritt. "Die große Mehrheit hängt von den Arbeitsplätze im nationalen Fußball ab. Je mehr sich die kommerzielle Ausrichtung auf die Spitze konzentriert, desto schwieriger wird es, die Nachhaltigkeit in diesen Wettbewerben aufrechtzuerhalten, und das würde letztendlich Arbeitsplätze kosten."
FIFA-Plan schadet dem Frauenfußball
Auf der Veranstaltung, auf der wiederholt auf die mangelnde Diversität in den Vorständen der Ligen und Verbände hingewiesen wurde, kritisierte die FIFPRO auch in diesem Zusammenhang die FIFA-Pläne für den halbierten WM-Rhythmus. Dieser würde dem Frauenfußball noch mehr schaden als dem Männerfußball. "Eines der Probleme bestand darin, dass der Entwurf der FIFA offenbar hauptsächlich auf die Interessen des Männerfußballs ausgerichtet war und diese einfach auf den Frauenfußball projiziert wurden", sagte Baer-Hoffmann. "Der Frauenfußball hat jedoch ganz andere Bedürfnisse und Möglichkeiten. Mehr Nationen müssen in ihre Frauenteams investieren, denn derzeit herrschen in den meisten Ländern der FIFA-Verbände immer noch katastrophale Bedingungen für Frauen."
"Die Art und Weise, wie der öffentliche Diskurs geführt wurde, war den Problemen, die gelöst werden müssen, ziemlich abträglich", fügte er hinzu. Zu diesen Problemen gehören Burnout und Stress bei den Spielerinnen, ein Thema, das von Martina Voss-Tecklenburg, Bundestrainerin der deutschen Frauen, letzten Monat angesprochen wurde.
Europaabgeordnete empfehlen 50+1 und gleiche Bezahlung
Bei der Veranstaltung in Brüssel, die nur einen Steinwurf vom Europaparlament entfernt stattfand, forderten Abgeordnete in einer Erklärung ein "wertebasiertes EU-Sportmodell" und mehr Mittel für den Spitzensport bis hin zur Basis.
Die Abgeordneten empfahlen außerdem, dass sich mehr Ligen an der deutschen 50+1-Regel orientieren sollten, nach der private Investoren nur bis zu 49 Prozent der Anteile eines Vereins besitzen dürfen, und dass die nationalen Sportverbände die Prämienzahlungen für weibliche und männliche Athleten nach dem Beispiel des irischen Fußballverbands angleichen sollten.
"Wir brauchen ein stärkeres politisches Engagement der EU im Sport und mehr Sportförderung", sagte Tomasz Frankowski, ein polnischer ehemaliger Spieler und jetziges Mitglied des Europäischen Parlaments.
"Unsere Hauptaufgabe als Europaabgeordnete ist es, ein auf Werte basierendes Sportmodell in Europa für die nächste Generation zu fördern und zu schützen. Wir müssen gemeinsam gegen die Kräfte vorgehen, die dieses Modell bedrohen und versuchen, es durch eine rein profitorientierte Vision des Sports zu untergraben. Aus diesem Grund sind wir gegen eine geschlossene Super League der Eliteklubs im europäischen Fußball. Sport ist ein Grundrecht für alle. Dafür muss der gesamte europäische Sport immer einstehen."
Aus dem Englischen übersetzt von Tobias Oelmaier