Integration durch Fußball
11. Juli 2017Schnee tanzte in der Luft, als vor gut anderthalb Jahren eine Gruppe junger Geflüchteter zum ersten Mal das Spielfeld des Godesberger Fußballvereins betrat. Viele der Jugendlichen hatten keine Sportschuhe, barfuß jagten sie den Ball über den gefrorenen Grund.
Es war November 2015, als Trainer Stephan Ebeling im Flüchtlingsheim in direkter Nachbarschaft seines Vereins im Süden von Bonn die Jugendlichen einlud, bei ihm und in seinem Verein zu trainieren. Was er nicht bedacht hatte: Kaum jemand flieht mit Sportausrüstung im Gepäck. Und Sportschuhe sind teuer. Zu teuer für die meisten Flüchtlinge.
Ebeling entschloss sich, dafür zu sorgen, dass alle seiner Spieler Fußballschuhe und Sportsachen haben. Inzwischen spielt jeden Dienstag eine gemischte Gruppe aus Flüchtlingen und Deutschen unter seiner Leitung Fußball. In der gerade sommerlichen Hitze stürmen sie über den Sandplatz, Ball und Stollenschuhe wirbeln Staub auf. Niemand ist barfuß. "Wir haben Geld gesammelt für die Schuhe und andere Sportsausrüstung für die Flüchtlinge, unter anderem an einer Schule hier in der Gegend," sagt Ebeling.
Fußball nicht nur für Flüchtlinge
Am Anfang kamen die meisten von Ebelings nichtdeutschen Spielern aus Syrien und Afghanistan. Mittlerweile sind viele aus afrikanischen Ländern wie der Elfenbeinküste und Eritrea dabei, und Französisch ist die meistgesprochene Sprache auf dem Bolzplatz. Was alle von ihnen eint ist, dass sie sogenannte "unbegleitete Minderjährige" sind: Sie sind jünger als 18 Jahre und ohne ihre Eltern nach Deutschland geflohen.
Neben den Flüchtlingsjungs stehen auch einige junge Deutsche auf dem Platz. Im Januar 2016 initiierte Ebeling eine Zusammenarbeit mit "Jugend Verbindet", einem lokalen Verein, der sich für die Integration jugendlicher Flüchtlinge engagiert. "Unser Ziel ist es, deutsche Jugendliche und jugendliche Flüchtlinge zusammenzubringen," sagt Max Gritz, stellvertretender Vorsitzender voni Jugend Verbindet. "Wir machen Werbung für das Team bei Events in der Gegend und versuchen, junge Deutsche dafür zu gewinnen, dass sie zum Training kommen und die Geflüchteten kennenlernen. Und wir sammeln Geld für Ausrüstung." Selbstverständlich spielt der 22-jährige Gritz auch selbst mit.
Trainer Ebeling nimmt es in Sachen Disziplin eher locker: Kein Spieler ist verpflichtet, zum Training zu kommen, die Größe des Teams schwankt dementsprechend: an manchem Dienstag stehen dreißig Spieler auf dem Feld, bei schlechtem Wetter auch gerne mal nur zehn.Immer dabei: ein Mitarbeiter des Flüchtlingsheims, schließlich sind alle Flüchtlinge auf dem Feld minderjährig.
Der Traum vom Profifußball
Chinedu ist in kurzer Zeit zu einem von Ebelings Stammspielern geworden. Der 16-Jährige kam vor vier Monaten nach Deutschland. Er ist vor den Dschihadisten von Boko Haram geflüchtet, die seine Heimat im Norden Nigerias terrorisieren. Sein Weg führte durch Niger und Libyen, über das Mittelmeer nach Europa.
"Die Flucht war schwierig, viele Menschen sterben in der Wüste und auf den Booten," erzählt er. Heute lebt Chinedu in einem Flüchtlingsheim speziell für Minderjährige, die ohne ihre Eltern nach Deutschland gekommen sind. Er genießt nur subsidiärer Schutz: Ein Jahr ist er sicher vor Abschiebung, danach muss er einen neuen Antrag stellen.
Chinedu möchte in Deutschland bleiben. Sein Traum: in der Bundesliga, Premier League oder Primera División mitzuspielen. "Ich möchte ein Profifußballspieler werden, wie Messi, und bei Barcelona oder Arsenal spielen," sagt er.
Auch wenn einige der Flüchtlinge, die beim Godesberger Fußballverein spielen, Talent haben, ist der Trainer skeptisch, ob sie es in die Profiligen schaffen können: "Die meisten haben ein oder zwei Jahre Training verloren, weil sie da auf der Flucht waren", sagt Ebeling.
Der 13-jährige Alaa aus Aleppo in Syrien kam vor zwei Jahren nach Deutschland. Er hat keine Profiambitionen, sondern kommt zum Training, um Spaß zu haben und um sein Deutsch zu verbessern. "Ich möchte später mal Arzt werden. Falls irgendwann die Situation in Syrien besser wird, dann möchte ich nach Hause zurück. Syrien ist meine Heimat," sagt Alaa.
Stephan Ebeling hofft, dass sein Fußballtraining jungen Flüchtlingen wie Chinendu und Alaa dabei helfen kann, sich in der deutschen Gesellschaft zurechtzufinden. "Ich will, dass die Jungen hier in Deutschland wie Deutsche leben können, dass sie in die Schule gehen können und später einen guten Job finden", sagt der engagierte Trainer. Und er möchte, dass die Jungen, die oft Traumatisches erlebt haben, Momente der Unbeschwertheit haben können: "Es geht darum, dass sie Spaß haben. Fußball ist ein einfaches Spiel - ein Ball, zwei Tore, das ist alles, was man braucht."
InfoMigrants - All Rights Reserved
InfoMigrants is not responsible for the content of external websites
Quelle: InfoMigrants2017