Fördert die EU Zwangsarbeit in Eritrea?
2. April 2019Eigentlich will die EU Gutes tun: Mit 20 Millionen Euro unterstützt sie die Sanierung mehrerer Fernstraßen in Eritrea. Die führen nach Äthiopien, Eritreas langjährigem Erzfeind. Ende der neunziger Jahre führten beide Länder einen blutigen Grenzkrieg miteinander. Seit letztem Jahr aber herrscht zwischen beiden Regierungen Tauwetter, was die EU mit dem Projekt unterstützen will. Ihr Kalkül: Die Straßen werden dazu beitragen, Handel und Tourismus zwischen beiden Ländern zu fördern. EU-Entwicklungskommissar Neven Mimica hatte das Projekt bei einem Eritrea-Besuch Ende Februar angekündigt. Die 20 Millionen Euro stammen aus dem EU-Nothilfefonds für Afrika.
Doch Menschenrechtsanwalt Emiel Jurjens kann dem Ganzen nichts Gutes abgewinnen. "Egal wie man es dreht und wendet, am Ende finanziert die EU Sklaverei und unterstützt ein Regime, das Menschenrechte verachtet", sagt er zur DW. In einem siebenseitigen Brief fordert er die EU auf, das Projekt einzustellen. Jurjens schreibt im Namen der "Menschenrechtsstiftung für Eritreer", in der sich Bürger des Landes zusammengeschlossen haben, die im Ausland leben.
Eigentlich finanziert die EU nur die Ausrüstung und das Material für die Arbeiten. Der Stiftung stößt jedoch auf, dass das Geld direkt an Unternehmen fließt, die nach ihren Angaben fest in der Hand der Regierung Eritreas sind. Kritiker halten sie für eines der repressivsten Regime Afrikas. So gibt es in Eritrea keine freie Presse und keine Opposition, zahlreiche Dissidenten sitzen im Gefängnis. Der UN-Sonderberichterstatterin wird die Einreise immer wieder verweigert.
Arbeitskräfte aus dem "nationalen Dienst"
Außerdem sollen bei den Arbeiten junge Eritreer zum Einsatz kommen, die den umstrittenen "nationalen Dienst" ableisten. Der beginnt für alle Eritreer mit 18 Jahren und läuft auf unbestimmte Zeit. Amnesty International berichtete von Fällen, in denen der Dienst sogar zwischen 10 und 20 Jahren dauerte. Eritreas Regierung versprach schon 2014, die Dienstzeit auf 18 Monate zu begrenzen, hält diese Zusage aber laut Amnesty nicht ein.
Das europäische Parlament schreibt in einer Resolution, dass Wehrpflichtige neben der Landesverteidigung gezwungen würden, in der Landwirtschaft, im Bergbau oder im Straßenbau ohne angemessenen Lohn unter sklavenähnlichen Bedingungen zu arbeiten. Laut UN-Menschenrechtskommission würden so Tausende jahrelang missbraucht und ausgebeutet. Dass diese Arbeitskräfte beim Straßenbauprojekt zum Einsatz kommen werden, ist der EU klar: Es steht in der offiziellen Projektskizze.
Der Leiter der "Menschenrechtsstiftung für Eritreer", Mulueberhan Temelso, wirft der EU vor, mit dem Geld ein diktatorisches Regime zu unterstützen. Denn wer sich nicht fügt oder fliehen will, dem drohe Haft. "Es gibt mehr als 365 geheime und versteckte Gefängnisse im ganzen Land, und die Europäische Union ist sich dessen wohl bewusst", sagt Temelso.
Laut der Stiftung war der Dienst im Jahr 2018 der Hauptgrund dafür, warum so viele Menschen aus Eritrea flohen. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks sind bislang zwölf Prozent der Bevölkerung aus dem Land geflüchtet. Neben dem nationalen Dienst fliehen viele Menschen auch vor Armut und Perspektivlosigkeit.
Flucht soll verhindert werden
Gerade diese Flucht will die EU mit dem Projekt eigentlich langfristig verhindern. Die Projektskizze erklärt, dass durch den Straßenbau Wirtschaft und Beschäftigung gefördert würden. Das soll dazu führen, dass sich die Zahl der illegalen Migranten im Lauf der Zeit verringere.
"Die EU ist verzweifelt bemüht, eine Antwort auf die Ankunft von Migranten und Flüchtlingen in Europa zu finden", sagt der Eritrea-Experte Martin Plaut zur DW. Entwicklungsprojekte wie dieses seien Teil dieser Bemühungen. Allerdings glaubt er nicht, dass der Ansatz nachhaltig ist: "Eritrea ist eine berüchtigte Diktatur. Mit dieser Regierung zusammenzuarbeiten, ohne die Unterdrückung der Menschen zu fördern ist unmöglich."
Ein Sprecher der EU-Kommission sagt dagegen auf DW-Anfrage, die EU würde den unbefristeten "nationalen Dienst" nicht unterstützen: "Die Menschenrechte stehen im Mittelpunkt unserer Politik und es ist irreführend zu behaupten, dass wir Zwangsarbeit unterstützen."
Das Projekt werde sorgfältig überwacht, um sicherzustellen, dass alle Beschäftigten angemessen entlohnt würden und unter akzeptablen Bedingungen arbeiten. "Gleichzeitig wird der politische Dialog verstärkt, um die Regierung zu ermutigen, den nationalen Dienst zu reformieren." Außerdem werde die EU regelmäßig die Fortschritte überprüfen.
Menschenrechtsanwalt Emiel Jurjens glaubt dies alles nicht. Für ihn ist der Brief nur der Anfang. "Es ist der erste Schritt, mit dem wir versuchen, das Projekt zu stoppen", sagt er. Bisher sei beispielsweise gar nicht nicht bekannt, wie groß der Anteil der Arbeiter des nationalen Dienstes in dem Projekt wirklich ist, oder wie genau die Kontrollen der EU aussehen werden. "Am Ende könnte ein Gerichtsverfahren stehen. Wir sind bereit alle Schritte zu gehen, um Zwangsarbeit zu verhindern."