Für Kanzler Kurz wird es enger und enger
27. Mai 2019Nach dem Ende seiner Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ muss sich Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz von der konservativen ÖVP einem Misstrauensvotum im Parlament stellen. Nach der kleinen Partei Liste Jetzt beschloss auch die große SPÖ einen Antrag. Am Vormittag schließlich gab der designierte neue FPÖ-Chef Norbert Hofer in Wien bekannt, dass seine Partei den Misstrauensantrag der Sozialdemokraten "wohl" unterstützen werde. Die SPÖ hatte am Sonntagabend angekündigt, nicht nur dem Kanzler, sondern der gesamten Regierung das Misstrauen aussprechen. Gemeinsam hätten SPÖ und FPÖ eine deutliche Mehrheit im Parlament.
"Ich vertraue darauf, dass wir hier auch Mehrheiten bekommen werden", sagte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Es habe in der Regierungskrise und auch davor keine substanziellen Gespräche des Kanzlers mit der Opposition gegeben. Der 32-jährige Regierungschef verdiene kein Vertrauen mehr.
Kurz: "Neue erstaunliche Koalition" von SPÖ und FPÖ
Kurz warf SPÖ und FPÖ vor zusammen zu arbeiten. "Es gibt eine neue erstaunliche Koalition, die sich in Österreich gebildet hat: Herbert Kickl zusammen mit Pamela Rendi-Wagner", sagte Kurz der "Bild"-Zeitung. "Beide Parteien eint das Ziel, dass sie mich als Kanzler loswerden wollen. Dabei sagen die Bürger klar, dass sie das eben nicht wollen, weil es im September ja ohnehin Neuwahlen gibt." Der FPÖ-Politiker Kickl war bis zur Wiener Regierungskrise Innenminister.
Die Parlamentsdebatte über die Misstrauensanträge soll um 13 Uhr MESZ beginnen. Zuerst wird im Laufe des Nachmittags oder Abends über den Antrag der SPÖ abgestimmt. Die Sozialdemokraten wollen der gesamten Regierung das Misstrauen aussprechen und sie bis zur geplanten Neuwahl im September durch ein reines Expertenkabinett ersetzt sehen. Sollte sich dafür keine Mehrheit finden, kommt noch der Antrag der Liste Jetzt zur Abstimmung, der sich "nur" gegen den Kanzler richtet.
Auslöser der Krise war ein Enthüllungsvideo, das zeigt, wie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellt. Nach Bekanntwerden des sogenannten Ibiza-Videos trat Strache von seinen Ämtern als Vizekanzler und FPÖ-Vorsitzender zurück, die Koalition zwischen rechter FPÖ und konservativer ÖVP zerbrach.
EU-Wahl wurde zum Triumph für Kurz
Die seit rund zehn Tagen andauernde Regierungskrise hat der Beliebtheit von Kanzler Kurz nicht geschadet. Seine ÖVP errang bei der EU-Wahl einen deutlichen Sieg. Die Konservativen holten mit 34,6 Prozent ihr bisher bestes EU-Wahlergebnis - ein Plus von fast acht Prozentpunkten. Die SPÖ profitierte nicht von der Krise und erreichte 23,9 Prozent, ein minimales Minus gegenüber 2014. Der Auslöser der Affäre, die FPÖ, verlor nur gut zwei Prozentpunkte und liegt bei 17,2 Prozent.
sti/rb/haz (afp, dpa, rtr)