Für Bush steht viel auf dem Spiel
3. Januar 2005
Die früheren US-Präsidenten George Bush senior und Bill Clinton sollen im Auftrag ihrer Regierung private Spenden für die von der Flutwelle in Asien betroffenen Länder eintreiben. Präsident George W. Bush gab die Ernennung seiner beiden Amtsvorgänger am 3. Januar in Washington bekannt. Beide Ex-Präsidenten verfügten über Führungskraft und "gute Herzen", und er habe sie gebeten, sich an die Spitze der US-weiten Sammelaktion zu stellen, sagte der amtierende Präsident George W. Bush
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Der Präsident hat offenbar erkannt, dass es höchste Zeit auch für symbolische Gesten ist. Mit der Entsendung seines Bruders Jeb und seines Außenministers in die Katastrophenregion sowie mit der Anordnung, überall auf der Welt vor US-Bundesgebäuden die Flaggen auf Halbmast zu setzen, brachte der Präsident persönliche Anteilnahme zum Ausdruck. Genau das - neben einer großzügigeren Anfangshilfe - hatten Kritiker bei Bush vermisst.
Mit seinen Korrekturen reagiert der Präsident nicht nur auf öffentliche Vorwürfe, die USA seien im Vergleich zu kleineren und ärmeren Ländern geizig. Bush-Berater und unabhängige Experten verschiedener Organisationen und Denkfabriken haben zudem die Sorge geäußert, der Republikaner könne eine große Chance verpassen: die Aufmöbelung des amerikanischen Images in Asien und damit eine Stabilisierung der Region.
Imagepolitur, zum Zweiten
Die US-Regierung hat bisher 350 Millionen Dollar (258 Millionen Euro) an Soforthilfe bereitgestellt. Darüber hinaus ist die bisher größte militärische Hilfsaktion der USA seit 50 Jahren im Gange, die ebenfalls Millionen Dollar kostet. Die wichtigste Quelle amerikanischer Großzügigkeit sei aber nicht die Regierung, sondern es sei das Volk, sagte Bush. Viele Millionen Dollar seien bereits von Privatbürgern gestiftet worden, aber angesichts des unvorstellbaren Ausmaßes der Tragödie solle für weitere Spenden geworben werden.
Jeder solle nach seinen Möglichkeiten helfen, sagte Bush.Die gesammelten Gelder sollten an nicht-staatliche Hilfsorganisationen weitergeleitet werden. Bush kündigte außerdem an, dass er gemeinsam mit den beiden früheren Präsidenten die Washingtoner Botschaften der vier am stärksten betroffenen Länder Indonesien, Sri Lanka, Indien und Thailand besuchen wolle, um sich in die Kondolenzbücher einzutragen.
"Keine Fehler leisten"
Insbesondere in Indonesien, dem bevölkerungsreichsten muslimischen Land der Welt, und in Malaysia war das Ansehen der USA schon vor dem Irakkrieg auf einen Tiefpunkt gesunken. Bereits der Antiterrorfeldzug in Afghanistan als Reaktion auf die Terroranschläge vom 11. September 2001 wurde als ungerechtfertigte, exzessive Vergeltung betrachtet. Der Irakeinsatz auf der Grundlage der amerikanischen Präventivschlag-Doktrin verfestigte dann das Image der USA als gefährlicher und nach weltweiter Vorherrschaft strebender Aggressor.
Die Gefahr, dass islamischer Fundamentalismus in der Region Fuß fasst, wächst ständig. Vor diesem Hintergrund steht für die USA bei der Katastrophenhilfe viel auf dem Spiel. Jeglicher amerikanische "Fehltritt" in dieser "explosiven" Region werde mit Sicherheit von islamischen Extremisten für deren eigene Zwecke ausgenutzt, warnt ein US-Regierungsbeamter. "Wir können uns keine Fehler leisten."
"Es ist noch nicht zu spät"
Bush habe nun die einmalige Chance, seinen Kurs in Asien zu korrigieren, zitiert die "New York Times" verschiedene Experten wie Geschichtsprofessor John Gaddis von der Yale-Universität. Sie verweisen darauf, dass sich Bushs Politik in der Region bisher auf zwei Bereiche konzentriert habe: den Kampf gegen den Terrorismus und das Bestreben, künftige Konflikte zu verhindern. Tatsächlich beschränkte sich Bushs diplomatisches Bemühen bisher im wesentlichen darauf, andere asiatische Länder wie Japan und China zu gemeinsamem Druck auf Nordkorea zu bewegen oder eine Eskalation zwischen China und Taiwan abzuwenden.
In Ländern wie Indonesien habe es wenig Engagement gegeben, beklagt Robert Barry, ein ehemaliger US- Botschafter in dem Land. Er sieht nun die Chance für Bush, in der Region jenes Ziel zu verfolgen, das er im Präsidentschaftswahlkampf immer wieder in den Vordergrund gestellt habe: die Verbreitung der Demokratie, und das ohne Waffengewalt. "Die Menschen blicken auf uns", sagt Leslie Gelb, Ehrenpräsident der Denkfabrik "Council on Foreign Relations". Die USA könnten nun zeigen, "dass wir eine gute, werteorientierte Nation, dass wir ein großherziges Volk sind". Bisher, darin stimmen Barry und Gelb überein, sei die US-Reaktion etwas langsam gewesen. "Aber es ist noch nicht zu spät." (arn)