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Für viele das Höchste

4. September 2002

Er ist einer der bedeutendsten Kulturpreise in Deutschland, seine Geschichte ist voller Höhen und Tiefen. Vor 75 Jahren wurde der Frankfurter Goethepreis zum ersten Mal verliehen.

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Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth und Preisträger Marcel Reich-RanickiBild: AP
Am Mittwoch (28. August 2002) erhielt der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki als 40. Preisträger in der Frankfurter Paulskirche den Goethepreis. Mit der Auszeichnung sollen traditionell an Goethes Geburtstag Persönlichkeiten geehrt werden, "die mit ihrem Schaffen bereits zur Geltung gelangt sind und deren schöpferisches Wirken einer dem Andenken Goethes gewidmeten Ehrungen würdig ist", wie es in der Satzung des Goethepreises steht, der 1926 vom Frankfurter Magistrat und der Stadtverordnetenversammlung gestiftet wurde.

Der Goethepreis - zunächst jährlich, seit 1949 mit Ausnahmen alle drei Jahre verliehen - ist aber kein reiner Literaturpreis: Unter den Geehrten finden sich neben Schriftstellern und Dichtern ebenso Philosophen, Ärzte, Politiker, Musiker und Naturwissenschaftler.

"Möndlein vor der Sonne"

Der Genius des Dichterfürsten schwebte von Anfang an über allen Preisträgern. Bereits der erste Ausgezeichnete, der Dichter Stefan George, sah von alten Prinzipien ab: Bisher, ließ George die Jury 1927 wissen, habe er "jede öffentliche Ehrung als Profanisierung seiner Kunst" abgelehnt - den Goethepreis aber nehme er an.

Ein Jahr später, 1928, bekannte der Arzt und Philosoph Albert Schweitzer als Preisträger, er selbst sei nur ein "Möndlein vor der gewaltigen Sonnenscheibe Goethes". Jahrzehnte später, 1994, sagte der Kunsthistoriker und Goethepreis-Träger Sir Ernst Gombrich, erst die unablässige Lektüre von Goethes Schriften habe den Grundstein für sein eigenes Denken und Forschen gelegt.

Skandale und Eklats

In 75 Jahren Goethepreis-Geschichte kam es immer wieder auch zu Skandalen und Eklats: Heftige Proteste gab es vor allem gegen die Preisverleihung an den Psychoanalytiker Sigmund Freud (1930). Antisemitische Organisationen protestierten gegen die Verleihung des Preises an den jüdischen Wissenschaftler, der zur Preisverleihung nicht nach Frankfurt kommen konnte - er war krank. Statt seiner nahm seine Tochter Anna die Auszeichnung entgegen.

1982 stand der konservative Autor Ernst Jünger im Kreuzfeuer der Kritik. Vor der Paulskirche protestierten Demonstranten gegen den damals bereits 87 Jahre alten Schriftsteller. In dem Ersten-Weltkrieg-Epos "In Stahlgewittern" (1920) soll er den Krieg verherrlicht haben. Außerdem hätte Jünger antisemitische Schriften verfasst und die Nazis bejubelt, lauteten Vorwürfe.

Namenlose und Unvergessene

Das dunkelste Kapitel in der Geschichte des Goethepreises aber wurde in der Zeit der NS-Diktatur geschrieben. Die Nazis kontrollierten von 1933 an das Kuratorium zur Vergabe des Preises - in der Jury saß unter anderem Reichspropagandaminister Joseph Goebbels. In der NS-Zeit erhielten zehn Schriftsteller, Dichter, Musiker, Bildhauer und Naturwissenschaftler die Auszeichnung - allesamt heute mehr oder weniger vergessen.

Nach dem Zusammenbruch des "Dritten Reichs" begann 1945 eine neue Ära auch für den Goethepreis. Der erste Preisträger nach dem Krieg war der Physiker Max Planck. Einer der Höhepunkte in der Geschichte des Goethepreises bedeutete 1949 die Verleihung an Thomas Mann.

Autor: Wim Abbink
Redaktion: Petra Tabeling