BKA-Fehler bei Journalisten-Ausschluss
19. August 2017Sechs Wochen nach dem Gipfeltreffen der führenden Industrie- und Schwellenländer in Hamburg haben zwei der betroffenen Journalisten jetzt Auskunft vom Bundeskriminalamt (BKA) erhalten. Ihnen war - wie anderen auch - die Akkreditierung ohne Angabe von Gründen nachträglich verweigert worden. Polizeibeamte hatten während des Großeinsatzes offen mit Schwarzen Listen hantiert, auf denen die Namen der Journalisten standen, die angeblich ein Sicherheitsrisiko darstellten. Neun Betroffene hatten gegen den Ausschluss geklagt.
Einem Berliner Fotoreporter hat das BKA jetzt mitgeteilt, er sei sowohl in der Datei "politisch motivierte Kriminalität" als auch in der Datei "Gewalttäter links" gespeichert, und zwar mit dem Strafdelikt "Widerstand gegen Polizeivollzugsbeamte". Wie die ARD berichtet, habe das Berliner Amtsgericht den Beschuldigten allerdings "aus tatsächlichen Gründen" freigesprochen, was umgangssprachlich einem "Freispruch erster Klasse" entspräche. Dass die Daten danach weiter gespeichert worden seien, beurteilt der Bochumer Strafrechtsprofessor Tobias Singelnstein als "rechtswidrig". Sie hätten umgehend gelöscht werden müssen, zitierte die ARD den Experten.
"Linksextremistisch" trotz Freispruch und journalistischer Berufsausübung
Ein weiterer Fotograf, der für "Spiegel Online" berichtet, hatte sich vor rund zehn Jahren - als gerade Volljähriger und lange vor Beginn seiner Tätigkeit als Journalist - an gewaltfreien Aktionen der Umweltschutzorganisation Robin Wood beteiligt. Das Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern habe den Eintrag längst gelöscht, berichtet die ARD, das BKA führe ihn aber noch in der Datei "politisch motivierte Kriminalität".
In zwei anderen Fällen seien seine Personalien erfasst und ihm unter anderem Verstöße gegen das Versammlungsgesetz vorgeworfen worden - er habe allerdings lediglich über Protestaktionen berichtet und es sei auch nicht gegen ihn ermittelt worden.
Heftige Kritik übt Peter Schaar, der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte. Eine große Zahl unrechtmäßig gespeicherter Vorgänge in den BKA-Dateien müssten gelöscht werden, zitiert ihn die ARD: "Das Beispiel des Fotografen zeigt, dass immer noch viel zu selten überprüft wird, ob die gespeicherten Daten noch aktuell sind oder den rechtlichen Anforderungen entsprechen."
Welche Rolle spielten ausländische Geheimdienste?
Die zitierten Daten hatte das Bundeskriminalamt jeweils von anderen Polizeibehörden übernommen. Der einzige Eintrag, den das BKA selbst vorgenommen haben soll, stammt offenbar aus der Türkei. Der Fotograf war im Oktober 2014 im türkischen Diyarbarkir zusammen mit Kollegen kurzzeitig festgenommen worden. In dem Vermerk des BKA heißt es laut ARD, dass "den Journalisten kein strafbares Handeln nachgewiesen werden konnte". Schon im nächsten Satz heiße es dann aber: "In diesem Zusammenhang wurde folgende Bewertung vorgenommen: Er ist als Angehöriger der linksextremistischen Szene und Umweltaktivist bekannt." Datenschutzexperte Schaar sieht - so die ARD - in dem Vermerk einen Beleg für den Verdacht türkischer Einflussnahme.
Bevor das BKA den beiden Fotojournalisten jetzt Auskunft über die Grundlage der gegen sie gerichteten Vorwürfe gegeben hat, hatte die Bundesregierung bereits in anderen Fällen zurückrudern müssen. Ein NDR-Reporter war auf die Schwarze Liste des BKA geraten, weil er angeblich zu den rechtsextremistischen "Reichbürgern" gehörte - Grundlage war eine Namensverwechslung. Und ein Hamburger Polizeireporter sollte als Mitglied einer "gewaltbereiten Bewegung" festgenommen worden sein - eine Falschinformation, die das BKA nicht überprüft hatte.
hin/HF (rtr, afp, dpa, tagesschau.de)