G20: Geld ausgeben oder Steine klopfen
26. Februar 2016Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die großen Industrie- und Schwellenländer aufgefordert, mit Strukturreformen und nicht mit neuen Konjunkturprogrammen für mehr Wachstum in der Welt zu sorgen. "Über weitere Stimulierungsmaßnahmen zu sprechen, lenkt nur von den wirklichen Aufgaben ab, die sich uns stellen", sagte er kurz vor einer G20-Finanzministerkonferenz in Shanghai.
Das Modell schuldenfinanzierter Ausgabenprogramme habe sich erledigt. Die Geld- und Finanzpolitik seien an ihren Grenzen angelangt. IWF-Chefin Christine Lagarde und der G20-Gastgeber China stimmten in den Ruf nach beschleunigten Reformen ein, um so dauerhaft mehr Wachstum zu schaffen. Lagarde hält es für möglich, dass die Welt-Wachstumsaussichten sich noch verdüstern.
Spielräume vorhanden
Schäuble, Lagarde und andere G20-Politiker äußerten sich auf Konferenzen im Vorfeld des Finanzministertreffens der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20). In der Ländergruppe wird seit langem über den richtigen Weg gestritten, um zu mehr Wachstum zu kommen. Die USA und der IWF gelten traditionell als die wichtigsten Befürworter neuer staatlicher Ausgabenprogramme, vor allem in Ländern mit finanziellen Spielräumen wie Deutschland.
Schäuble hielt und hält dem immer wieder entgegen, ohne solide Haushalte und Strukturreformen könne es kein dauerhaftes Wachstum geben. Diese Position vertrat er in Shanghai noch etwa akzentuierter als früher. Der deutsche Minister begrüßte ausdrücklich, dass China als Präsidentschaftsnation der G20 das Thema Strukturreformen zu einem seiner Schwerpunktthemen gemacht hat. Daran werde Deutschland, das 2017 die Präsidentschaft übernimmt, anknüpfen.
"Stimulus im System"
Von schuldenfinanzierten G20-Ausgabenprogrammen, wie sie mancher für den Fall forderten, dass die aktuellen Wachstumsrisiken Realität würden, halte Deutschland nichts. "Es gibt bereits genügend Stimulus im System". Der Minister verwies auf die extrem konjunkturstützende Geldpolitik mit ihren Niedrigzinsen, die immer mehr Risiken mit sich bringe, kontraproduktiv zu wirken drohe und den Banken das Leben schwermache.
Eines der größten Probleme sei ohnehin die hohe Verschuldung in vielen Staaten, sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich. Die stellten zusammen mit einem Mangel an Strukturreformen das Haupthindernis für ein nachhaltiges Wachstum dar. Deutschland habe gezeigt, wie man mit einer soliden Haushaltspolitik und Reformen vorankomme.
Reformeifer erlahmt
Chinas Finanzminister Jiwei Lou machte mit Blick auf die G20 deutlich: "Der Reformprozess in der G20 ist hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben". Daher gelte es, mehr dafür zu tun, um Veränderungen mit dem Ziel von mehr Wachstum vorzunehmen. Es gelte zum Beispiel, Marktzugänge zu erleichtern und an den Arbeitsmärkten mehr Flexibilität zu schaffen.
IWF-Chefin Christine Lagarde verwies darauf, dass ihre Institution gerade erst die Wachstumsschätzungen für die Welt zurückgenommen hat. Und sie warnte: "Das muss nicht notwendigerweise das Ende der Geschichte sein." Schäuble stimmte in diese Warnungen ein und bezeichnete die aktuellen ökonomischen Unsicherheiten als möglichen Vorboten einer nächsten Krise.
Nächste Krise?
Lagarde unterstrich, es mache daher mehr Sinn denn je, über Maßnahmen für mehr Wachstumsdynamik zu sprechen, und hier gehe es in erster Linie um Strukturreformen. Dabei solle man nach ihrer Auffassung allerdings sowohl auf der Nachfrage- wie der Angebotsseite ansetzen. Das lässt die Möglichkeit weiterer Ausgabenprogramme offen.
Auch die Industriestaaten-Organisation OECD hat angesichts der sich weltweit verschlechternden Konjunkturaussichten die G20-Staaten zur schnelleren Umsetzung von Strukturreformen aufgerufen. Die globalen Wachstumsaussichten dürften kurzfristig trübe bleiben, teilte die OECD am Freitag mit. Außerdem schwäche sich der Welthandel ab. Deshalb seien die Reformen wichtig, um die Produktivität zu steigern und Arbeitsplätze zu schaffen. Der Bericht war eigens für das G20-Treffen der Finanzminister in Schanghai angefertigt worden.
wen/ul (rtr, dpa)