De Maizière warnt Demonstranten
2. Juli 2017Wenige Tage vor dem G20-Gipfel in Hamburg hat Bundesinnenminister Thomas de Mazière ein hartes Vorgehen bei Ausschreitungen von Gegnern des Treffens angekündigt. Er forderte in der Zeitung "Bild am Sonntag" alle Demonstranten auf, friedlich zu bleiben. "Die Linie ist klar: friedlicher Protest ja, gewalttätiger Protest nein", sagte der CDU-Politiker. "Gewalt, egal von wem, muss von Anfang an im Keim erstickt werden."
Der Innenminister schätzte das "gewaltbereite Potenzial in Hamburg auf deutlich über 8000 Extremisten aus dem In- und Ausland". Es gebe linke Gruppierungen, die mit Gewaltaktionen den Ablauf des Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer stören wollten. Solche Gruppen seien auch bereit, schwere Straftaten zu begehen, fürchtet de Maizière.
"Kreative Aktionsformen"
Auch das Bundeskriminalamt (BKA) hat einem Zeitungsbericht zufolge vor schweren Brandstiftungen und Sabotageakten gegen die Infrastruktur durch Gegner des G20-Gipfels in Hamburg gewarnt. Es müsse mit "neuen kreativen Aktionsformen" der linksextremen Szene gerechnet werden, zitierte die""Welt am Sonntag" aus einer internen Gefährdungsbewertung des BKA. Internationale Aktivisten würden über "Protesterfahrungen verfügen, die sich von denen der hiesigen linken Szene unterscheiden und darüber hinausgehen". Es würden auch Störungen des Schiffsverkehrs im Hafen und des Flugverkehrs am Hamburger Flughafen befürchtet.
So rechnet die Hamburger Polizei dem Bericht zufolge damit, dass die Stromversorgung lahmgelegt werden könnte. Funkmasten könnten zerstört und Lichtzeichenanlagen manipuliert werden. Die Zeitung beruft sich auf ein vertrauliches Papier der für den Gipfel eingerichteten Sonderabteilung "BAO Michel". Demnach könnten Gipfelgegner versuchen, sowohl von Land aus als auch vom Wasser her Zufahrtswege und logistische Knotenpunkte des Hamburger Hafens zu blockieren. "Abseits vom Veranstaltungsgeschehen sind anlässlich des G20-Gipfels medienwirksame Aktionen wie Besetzungen von Parteibüros, Barkassen und Fähren oder Rundfunkanstalten einzukalkulieren", heißt es in der Analyse, aus der die "WamS" zitiert. Der Luftverkehr könne trotz einer Flugverbotszone in der City mit Drohnen erheblich gestört werden.
"G20-Protestwelle"
Die erste Demonstration vor dem G20-Gipfel in Hamburg läuft. Aus Protest gegen die Politik der G20 haben sich am Sonntag nach Polizeiangaben rund 4000 Anhänger der "Protestwelle" bei Nieselregen auf dem Rathausmarkt versammelt. Nach einer Auftaktveranstaltung wollten sie durch die Innenstadt ziehen. Ein breites Bündnis aus Umwelt-, Bürgerrechts-, Sozial- und Entwicklungsorganisationen hat zu den Protesten unter dem Motto "G20 Protestwelle" aufgerufen und will so unter anderem für eine bessere Klima- und Handelspolitik demonstrieren sowie für Demokratie werben.
Geplant sind ein Protestmarsch durch die Innenstadt und eine Bootsdemonstration auf der Alster. Die Organisatoren erwarten zehntausende Teilnehmer. Die Polizei hatte im Vorfeld bislang keine Hinweise auf mögliche gewalttätige Aktionen von militanten Gipfelgegnern.
Kurdische Proteste gegen Erdogan
Die Proteste beim Gipfel könnten auch durch den innertürkischen Konflikt befeuert werden, befürchten Sicherheitsbehörden. Es sei nicht auszuschließen, dass kurdische Gruppen gegen den in Hamburg erwarteten türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan protestieren wollten. "Auch das ist erlaubt", sagte de Maizière. "Sollte es aber Versuche geben, für eine terroristische Organisation wie die PKK zu werben, werden die zuständigen Behörden dagegen vorgehen. Das gilt auch für das Zeigen der entsprechenden Symbole."
"Merkel betont nachhaltiges Wachstum"
Unterdessen stimmt sich auch schon Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den G20-Gipfel ein. So betonte sie in ihrer wöchentlichen Videobotschaft die Bedeutung einer multipolaren Welt mit vielen Zentren und unterschiedlichen Entwicklungsansätzen. Die Industrieländer der westlichen Welt müssten dabei nicht zwangsläufig Vorbild für andere Weltregionen sein, gab sie zu verstehen. In den Schwellenländern, besonders China und Indien, sei inzwischen das Bewusstsein gewachsen, "dass man sich selber schadet, wenn man den gleichen Entwicklungspfad nehmen würde, den wir genommen haben", sagte Merkel.
Beim G20-Gipfel gehe es "nicht einfach nur um Wachstum, sondern um nachhaltiges Wachstum", sagte Merkel. Das G20-Format sei wegen der Finanzkrise entstanden und habe zunächst Regeln für die Finanzmarktprodukte entwickelt. Später habe man sich dem Gedanken der Gesamtentwicklung weiter geöffnet. Es gehe darum, aus dem nachhaltigen Wachstum eine "Win-Win-Situation für alle" zu machen. Schwerpunkte sieht die Kanzlerin in den Themen Klimaschutzabkommen, offene Märkte, verbesserte Handelsabkommen, in denen auch Verbraucherschutz, Sozialstandards, Umweltstandards enthalten sind.
Unterschiedliche Interessen der Länder dürften nicht zu unversöhnlichen Kämpfen führen, sondern in Gesprächen müssten Lösungen "zum Wohle der Weltwirtschaft" gesucht werden, die für alle von Vorteil seien. "Und darum geht es in Hamburg."
ml/cgn/qu (afp, dpa, rtr)