G7 in Elmau: Die große Show
2. Juni 2015Während des G7-Gipfels, schaut die ganze Welt auf Bayern. Genauer gesagt auf Elmau, einem kleinen Tal im oberbayrischen Werdenfelser Land. "Schloss Elmau" (Titelbild), für 48 Stunden das Tagungshotel der sieben führenden westlichen Industrieländer und deren Delegationen (G7), ist das Aushängeschild. Abgeschieden am Fuße des Wetterstein-Bergmassivs liegt "Schloss Elmau", eines der führenden Fünf- Sterne-plus-Resorts in Deutschland.
Sieben Kilometer ist die Privatstraße lang, die sich kurvenreich durch Wald und blühende Wiesen in das weite Elmauer Tal schlängelt. Außer das entfernte Blöken von Ziegen und Läuten ihrer Glocken ist nichts zu hören. Greifvögel schweben am Himmel. Ruhe. Unter den Wanderschuhen knirschen leise die kleinen Steine der Wanderwegen, die an rustikalen Heustadeln und schnuckeligen Almhütten vorbei führen.
Uriger Hüttencharme für das Familienfoto
Ein kurzes Kopfnicken und ein "Grüß Gott", dann ist der entgegenkommende Wanderer wieder verschwunden. Nur noch das Klicken seiner Walking-Stöcke, wenn sie auf den Boden stoßen, hallt nach.
Vor dieser alpenländischen Kulisse sollen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel, US-Präsident Barack Obama und ihre Kollegen für das traditionelle Familienfoto ablichten lassen. Was wäre das für ein schönes Foto: Die G7 vor einer urigen Almhütte, im Hintergrund ein atemberaubendes Bergpanorama. Doch daraus wird wohl nichts. Den alpenländischen Charme durchbricht der Glasaufbau der ausgesuchten Berghütte "Elmauer Alm". Noch gravierender: Der Aufbau ist illegal. Die Staatsoberhäupter vor einem Schwarzbau ablichten zu lassen, geht nicht.
Die Journalisten stehen Schlange
Schuld ist Dietmar Müller-Elmau, der Hausherr von "Schloss Elmau", zu der die "Elmauer Alm" gehört. Das Dach hat er ohne Genehmigung des Landratsamtes in Garmisch-Partenkirchen aufstocken lassen. Jahrelang ist das niemandem aufgefallen. Erst für das geplante Fotoshooting wird durchgegriffen: Das Dach musste "rückgebaut" werden.
Vor Kameras zeigt Müller-Elmau gerne die sieben identischen Suiten mit einem atemberaubenden Blick über die Landschaft. Journalisten stehen schon Monate im Voraus für Interviews Schlange. Er führt sie stolz durch seine Hallen. Das Hotel ist Treffplatz für Intellektuelle, Freidenker oder Geschäftsleute und Politiker, die den "Geist von Elmau" erfahren wollen. Kulturelles Programm für Hotelgäste gibt es inklusive: berühmte Klassik- und Jazzmusiker, Lesungen, Yoga. Auch die Restaurants sind mit Sternen ausgezeichnet und verwöhnen die Gaumen.
Auf Elmau wird alles möglich gemacht
Mit Genehmigungen scheint es der Schlossherr nicht ganz ernst zu nehmen. Die und der Naturschutz können beim Gipfel schon mal vergessen werden. So muss nach dem Gipfel der extra betonierte Hubschrauberlandeplatz wieder in seinen Ursprung rückgebaut werden. Das Areal dient normalerweise Wanderern als ungeteerter Parkplatz. Eigentümer sind die Bayerischen Staatsforste. Doch weil es diese Betonfläche gerade gibt, ließ Dietmar Müller-Elmau ein gigantisches Festzelt (50 Meter lang, 25 Meter breit) für einen solventen Stammgast aufbauen. Auch das war mit dem Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen nicht abgesprochen.
Müller-Elmau kann sich und sein "Schloss" gekonnt Inszenieren. Selbst die Baucontainer, die in unmittelbarer Nähe zum Schloss gestapelt wurden und dort als Pressezentrum dienen, wurden in alpenländischem Stil verpackt. Der Gipfel scheint für den Hotelbesitzer die perfekte Werbefläche zu sein.
G7 ist für die Region ein Mega-Ereignis
"Wenn sie dieses Bild des Luxus-Hotels in die Welt schicken, dann kommen fünf Sterne-Gäste", meint der örtliche Grünenpolitiker Jörg Jovy. Das Problem: Außerhalb von Elmau können die Hotels den gehobenen Standard kaum bieten. Die Region sei vielmehr durch Tagestourismus oder rund um Bayernkönig König Ludwig geprägt, meint Jovy. Die berühmten Schlösser Linderhof und der Schachen sind in unmittelbarer Nähe. Das Werdenfelser-Land sei keine touristische Erfolgsregion, trotz ihres großen Potenzials, meint Jovy.
Zu spüren bekommt das Claudia Gans. Ihr Gästehaus in Klais, eine kleine Ortschaft, die am Eingang zum Elmauer Tal liegt, ist nur selten ausgebucht. Bei schönem Wetter entspannen sich Tagesgäste und Kurzurlauber aus München auf der Terrasse ihres Cafés. Nur heute nicht - trotz Sonne. "Der Tourismus hat sich in den letzten Jahren gewandelt", sagt sie. Durch den Ort fahren nur noch Gäste von "Schloss Elmau" oder "Das Kranzbach", ein weiteres Fünf-Sterne-Luxushotel, keine drei Kilometer von "Schloss Elmau" entfernt. "Die Gäste, die dort verkehren, verirren sich nicht in die umliegenden Orte. Auch nicht für einen Kaffee." Garmisch befinde sich in einem Übergang weg vom Winter- hin zum Sommertourismus. Doch um erfolgreich zu sein, fehle eine Strategie, meint Jörg Jovy.
Aufschwung für eine vergessene Tourismusregion?
Mit der unberührten Alpenkulisse will der Landkreis Garmisch-Partenkirchen in der Welt punkten. Die Bürgermeisterin Sigrid Meierhofer ist zuversichtlich. Aus ihrem Bürofenster blickt sie auf den Garmischer Hausberg "Wank". Für sie und ihre Gemeinde ist der G7-Gipfel ein Segen, nicht nur wegen des frisch sanierten Rathauses. Sie schließt das Fenster, damit der Lärm der Baustelle und der vorbeifahrenden Autos nicht stört. Zufrieden lächelt sie.
Seit Wochen sind die meisten Betten ihrer knapp 26.000 Einwohner-Gemeinde durch Gipfel-Teilnehmer belegt und an Journalisten und Polizisten vermietet. Während der Ausnahmesituation vor und während der Gipfeltage hat sie einen Ratschlag für ihre Bürger parat: "Sie sollten jetzt nicht in Panik verfallen, sondern so leben, wie sonst auch - mit Gelassenheit und Gastfreundschaft." Meierhofers Hoffnung ist, "dass wir als Touristendestination noch interessanter werden."
Doch Jörg Jovy von den Grünen sieht das völlig anders. "Der Kreis Garmisch-Partenkirchen ist ein schlechter Ort für den Gipfel. Die gesamte Infrastruktur ist dafür nicht eingerichtet. Der Landkreis platzt aus allen Nähten", doch was ihm besonders Sorge bereitet ist ein Bild auf der Internetseite des bayrischen Innenministeriums. "Das Bild zeigt das Elmauer Tal und darunter lauter Einsatzfahrzeuge der Polizei. Ich bin mir nicht sicher, ob das das Bild ist, was um die Welt gehen soll: dass man vor lauter Sicherheitskräfte nicht mehr gehen kann."