G7-Gipfel in Italien: Volles Krisen-Programm
Veröffentlicht 12. Juni 2024Zuletzt aktualisiert 13. Juni 2024Gestärkt und gut gelaunt durch das gute Wahlergebnis bei den Europawahlen am vergangenen Sonntag geht die rechtspopulistische italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in den G7-Gipfel. Die italienische Präsidentschaft richtet das Treffen der "Grande Sette", wie die Gruppe der sieben wichtigsten Wirtschaftsnationen auf Italienisch heißt, im abgeschirmten Luxushotel "Borgo Egnazia" im ländlichen Apulien inmitten der typischen Olivenhaine aus. Meloni hat bei der Vorbereitung "ihres Gipfels", wie sie das nennt, selbst viele Details mitgestaltet. Sie will Süditalien von seiner schönsten Seite präsentieren und zeigen, dass sich hier im einst ärmeren Süden wirtschaftlich etwas tut, auch dank der üppigen EU-Gelder, die aus dem Corona-Aufbaufonds nach Italien fließen. Zur G7 gehören neben Italien die USA, Kanada, Japan, Frankreich, Großbritannien und Deutschland sowie die EU.
Meloni oben auf
"Unter den großen europäischen Nationen ist die italienische Regierung mit Sicherheit die weitaus stärkste", sagte Giorgia Meloni selbstbewusst, bevor sie von Rom nach Apulien reiste. In der Tat haben der französische Präsident, der deutsche Bundeskanzler und der britische Premier im Moment zuhause einen schweren Stand. Emmanuel Macron hat für den 30. Juni Neuwahlen ausgerufen, ein Rechtsruck droht. Olaf Scholz hat eine schwere Niederlage für seine Ampelkoalition aus SPD, Grünen und Liberalen bei der Europawahl erlitten. Die Koalition streitet massiv um den nächsten Bundeshaushalt. Der konservative Rishi Sunak wird nach den Wahlen am 4. Juli mit großer Wahrscheinlichkeit sein Amt an Labour abgeben müssen.
Nur Giorgia Meloni kann von sich behaupten, dass sie die Wahl mit ihrer rechtsnationalen Koalition bequem gewonnen hat. Sie will nun in der EU ein gewichtiges Wort mitreden und bei den G7 entsprechend auftreten. Ihr Verhältnis zu US-Präsident Joe Biden, der ebenfalls im Wahlkampf steht, ist sehr gut. Beide sind sich in transatlantischen Fragen und bei der Unterstützung der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland weitgehend einig.
Waffen und Geld für die Ukraine
Das Thema Ukraine steht ganz oben auf der Agenda der sieben Staaten, aus denen die wesentliche finanzielle Unterstützung und Waffenhilfe für Kiew stammt. Der ukrainische Präsident soll an den Beratungen in Apulien teilnehmen. Er braucht mehr weitreichende Waffen, Munition und mehr Luftabwehr-Fähigkeiten. Bundeskanzler Olaf Scholz hat bereits zugesagt, sich für die Beschaffung von mehr Luftabwehrkapazitäten aus den G7-Staaten und darüber hinaus einzusetzen. Bisher sind einige europäische Staaten, die zum Beispiel das Patriot-Raketenabwehrsystem besitzen, zögerlich, die Einheiten in die Ukraine zu liefern.
Bei der Stationierung westlicher Soldaten in der Ukraine sind sich die G7-Staaten nicht einig. Während Frankreich und Großbritannien dafür offen sind, Ausbilder und Berater zu schicken, lehnen Deutschland, die USA und auch Italien diesen Schritt vehement ab. Olaf Scholz will konkrete Zusagen für den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg erreichen. Die sieben Gipfelstaaten und die EU wollen sich darauf einigen, der Ukraine weitere 50 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen. Das Geld soll als gemeinsamer Kredit aufgenommen werden, der dann mit Erträgen aus eingefrorenem russischem Staatsvermögen langsam abgestottert wird. Über einen Weg zur Beendigung des Krieges wird auch gesprochen. Schließlich reisen einige der G7-Staats- und Regierungschefs am Sonnabend in die Schweiz weiter, zu einer von der Ukraine organisierten internationalen Friedenskonferenz. Der Aggressor Russland nimmt allerdings nicht teil.
Neue Pläne mit Afrika
Giorgia Meloni, die italienische Vorsitzende der Runde, will eine bessere Zusammenarbeit mit Afrika bei der Rohstoff- und Energieversorgung, bei Lieferketten und einer Steuerung der Migration in den Mittelpunkt rücken. Zwölf Gäste aus afrikanischen und indopazifischen Staaten sind eingeladen, um über mehr Investitionen in Afrika und die gemeinsame Produktion von umweltfreundlicher Energie in Afrika für Europa zu sprechen.
Afrika-Initiativen dieser Art hat es im Rahmen der G7 schon viele gegeben. Was fehle, seien konkrete finanzielle Zusagen und eine Kooperation auf Augenhöhe, kritisierte die Nichtregierungsorganisation Oxfam vor dem Treffen. Mit nur drei Prozent ihrer jährlichen Rüstungsausgaben könnten die G7-Staaten den Hunger in Afrika wirksam bekämpfen. "Die G7-Regierungen schaffen es, massiv in die Rüstung zu investieren, aber wenn es darum geht, den Hunger zu stoppen, sind sie plötzlich pleite", sagte Tobias Hauschild von Oxfam Deutschland vor dem Treffen in Italien. Das finanzielle Engagement des Westens in Afrika habe in den vergangenen Jahren sogar nachgelassen, bemängelt die Entwicklungshilfe-Organisation ONE. Die Verschuldung steige dagegen rapide an. Der Schuldendienst, zunehmend auch für Kredite aus China, schnüre einigen Staaten in Afrika bereits die Luft ab, heißt es in einer Mitteilung von ONE zum G7-Gipfel.
Migration weiter einschränken
Ihre Hilfen für afrikanische Staaten verknüpfen die EU-Staaten mehr und mehr mit Gegenleistungen bei der Migrationssteuerung. Die EU versucht Migrationsabkommen zu schließen, mit Libyen, Tunesien, Jordanien und Ägypten, um Flüchtlinge und Migranten möglichst schon in diesen Transitländern aufzuhalten. Hilfsorganisationen kritisieren diesen Ansatz, weil sich Europa aus seiner Verantwortung stehlen wolle.
Giorgia Meloni hingegen verspricht in Italien gerne, die Grenzen für Migranten mehr oder weniger dicht zu machen und Asylverfahren möglichst auszulagern. Bei Joe Biden findet Meloni da neuerdings einige Anregungen. Der US-Präsident hatte jüngst die Möglichkeit für Migranten, an der Südgrenze der USA einen Asylantrag zu stellen, per Dekret stark eingeschränkt. Migranten können jetzt ohne Verfahren nach Mexiko zurückgeschoben werden. Auch in einigen EU-Staaten gibt es die Forderung, zur Sicherung der Außengrenzen direkte Zurückweisungen möglich zu machen.
G7 verlangen Waffenstillstand in Gaza
Die G7 werden die Resolution des Weltsicherheitsrates für einen Waffenstillstand im Krieg zwischen der islamistischen Terrororganisation Hamas und Israel unterstützen, die von den USA eingebracht wurde. Die sieben Staaten und die EU erwarten von der Hamas, dass sie Bedingungen für einen Waffenstillstand umgehend akzeptiert, sagte ein hochrangiger EU-Diplomat in Borgio Egnazia vor dem Treffen. Die israelischen Geiseln müssten freikommen und das humanitäre Leid der Palästinenser im Gaza-Streifen beendet werden. Unklar ist den Diplomaten allerdings, ob Israel in vollem Umfang hinter der Resolution steht.
Giorgia Meloni zeigte sich vor dem Gipfeltreffen völlig entspannt. Sie reiste schon früher nach Apulien, um sich einen Tag Urlaub am Swimmingpool zu gönnen, berichtet der Corriere della Sera. In dem auf historisch getrimmten und sehr exklusiven Hoteldorf Borgio Egnazia erholten sich und feierten schließlich schon Weltstars, wie Madonna oder Justin Timberlake.