G7: Mit Biden ist es leichter
13. Juni 2021Am Strand von Carbis Bay in Cornwallversprachen die Regierungschefs und -chefinnen der sieben wichtigsten westlichen Demokratien, mehr gegen den Klimawandel zu tun. Bis 2050 wollen die Staaten klimaneutral wirtschaften, inklusive der USA. Außerdem soll die Verbrennung von Kohle möglichst auslaufen. Allerdings konnte man sich hier nicht auf eine konkretes Datum verständigen. Die G7 erneuerte ihr mehrfach abgegebenes Versprechen, Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen, um die Folgen des Klimawandels zu bekämpfen und grüne Industrialisierung zu fördern. Außerdem soll die Zulassung für Autos mit Verbrennungsmotoren bis Mitte des Jahrhunderts auslaufen.
Kritik von Aktivisten
Am Strand von St. Ives, eine Bucht weiter südlich, warfen die Demonstranten von "Extinction rebellion" den Politikern vor, sie würden die Menschen in Versprechen ertränken, aber nicht schnell genug handeln. Catherine Pettengell vom britischen "Klima-Aktions-Netzwerk", sagte, die G7 müssten die Kohlenutzung sofort beenden. "Wir kennen keine Zeitpläne und nicht den Umfang der Reduzierung. Ohne dies bleibt das eine leere Hülle", so Pettengell.
Sir David Attenborough, preisgekrönter Tierfilmer und Naturforscher, hatte in Carbis Bay vor den Präsidenten aus den USA und Frankreich, den Premierministern aus Großbritannien, Kanada, Japan und Italien sowie der deutschen Bundeskanzlerin und Vertretern der EU gesprochen. Er warnte nicht nur vor einer Klimakatastrophe, sondern auch vor der Ausrottung von immer mehr Arten. "Die Menschheit könnte drauf und dran sein, den gesamten Planeten zu destabilisieren", mahnte Attenborough. Die G7 müsse deshalb die wichtigsten Entscheidungen in der Geschichte der Menschheit treffen.
China wird gebraucht - trotz allem
Als Antwort auf diese düsteren Szenarien verpflichtete sich die Gruppe der Sieben in nur neun Jahren 30 Prozent der Landmasse und 30 Prozent der Ozeane zu Schutzzonen zu erklären. Dieses Projekt und den Klimaschutz können die sieben führenden Demokratien nicht alleine erreichen. Dazu werden auch Autokratien wie Russland und vor allem China als größter CO2-Emittent beitragen müssen. Daran hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel den amerikanischen Präsidenten Joe Biden noch einmal erinnert. Biden trat während des Gipfel für "klare Ansagen " in Richtung Peking ein. "Ich suche hier keinen Konflikt. Wir kooperieren, aber wir reagieren auf chinesische Aktionen, die nicht in Ordnung sind", sagte der Präsident.
Als künftige Linie für die China-Politik legten die Regierungschefs und -chefinnen deshalb eine Balance aus Zusammenarbeit und Zurückweisung fest. Global wolle man beim Klimaschutz kooperieren und wirtschaftlich stärker konkurrieren. Gleichzeitig sollten Menschenrechtsverletzungen, Zwangsarbeit, Unterdrückung der Opposition sowie Konflikte um Hongkong oder Taiwan angesprochen und geahndet werden, sagte ein EU-Diplomat zum Inhalt der Abschlusserklärung des Gipfels. Über die sicherheitspolitischen Herausforderungen durch China in Südostasien und in der virtuellen Welt soll am Montag bei einem NATO-Gipfel in Brüssel beraten werden. Bundeskanzlerin Merkel unterstützt den Plan, eigene strategische Investitionen des Westen in Entwicklungsländern zu fördern. "China ist mit seiner Investitionspolitik sehr erfolgreich. Da können wir nicht untätig bleiben", sagte Merkel. 2022 werde die deutsche G7-Präsidentschaft konkrete Vorschläge machen.
China kritisiert G7
Die Antwort auf die Strategie der westlichen Demokratien kam von der Ein-Parteien-Diktatur China prompt. Ein Sprecher der chinesischen Botschaft in London erklärte, die Zeiten, dass kleine Gruppen von Staaten die Regeln für internationale Zusammenarbeit "diktierten", seien vorbei. "Wir glauben, dass alle Staaten, groß oder klein, arm oder reich, gleich sind. Die Angelegenheiten der Welt sollten durch Konsultationen mit allen geregelt werden", teilte der Sprecher mit. China halte dafür die Vereinten Nationen und ihre Regeln für den richtigen Platz.
Die G7 begrüßt den Plan des Internationalen Währungsfonds (IWF), Sondermittel von 650 Milliarden US-Dollar an bedürftige Länder zu vergeben, um die wirtschaftlichen Folgen der Covid-Krise zu überwinden. Eine schnelle Gesundung der Weltwirtschaft sei das wichtigste Ziel nach der Pandemie, die in weiten Teilen der Welt noch nicht vorbei ist. Die Wirtschaftshilfe durch den IWF, die von den großen Industriestaaten finanziert wird, wurde erst durch den Regierungswechsel in Washington möglich.
Mit den USA an Bord wird vieles leichter
Der amerikanische Präsident Joe Biden war auf seiner ersten Auslandsreise der Star des Gipfels in Carbis Bay, bestätigen viele Diplomaten aus den Verhandlungen hinter den Kulissen. "Die USA wollen sich wieder engagieren im multilateralen Kontext und nicht mehr blockieren. Das merkt man", so ein EU-Diplomat. Präsident Biden sagte, Amerika führe jetzt wieder die Welt an der Seite der Nationen, die seine demokratischen Werte teilen. "Wir sind zurück am Tisch". Sein Vorgänger Donald Trump hatte internationale Zusammenarbeit verhindert. "Wir haben einen fantastischen Level von Harmonie erreicht", sagte der britische Premier und Gastgeber Boris Johnson. Bundeskanzlerin Merkel, die an ihrem letzten G7-Gipfel vor dem Ausscheiden aus dem Amt teilnahm, lobte Biden ebenfalls. "Wir können mit neuem Elan an der Lösung der Probleme arbeiten", sagte die Kanzlerin.
Mehr Impfstoffe für den Süden
Wenig Rückhalt für seine Idee, Patente auf die Herstellungsverfahren für Corona-Impfstoffe auszusetzen, fand US-Präsident Biden bei seinen europäischen Gesprächspartnern. Die G7 beschlossen zwar, dass der "Schutz intellektuellen Eigentums" die Verbreitung von Impfstoffen nicht behindern solle, von Zwangsmaßnahmen ist aber nicht die Rede. Den Engpass bei der Herstellung von Impfstoff könne man besser und schneller überwinden, wenn man Exporte aus den Hersteller-Ländern zulasse. Das hatten die USA und Großbritannien bislang verweigert. Nur die EU und zum Teil auch Indien haben bislang Impfstoffe in größerem Umfang in den Rest der Welt exportiert.
Um die weltweite Impfkampagne endlich zu beschleunigen, wollen G7 und EU bis Ende 2022 insgesamt rund 2,3 Milliarden Corona-Impfdosen für ärmere Staaten bereitstellen. Die stammen aus direkten Spenden von produzierten Dosen oder aus Einkäufen der UN-Impfinitiative Covax. "Wir müssen den Zugang aller zu Impfstoff sicherstellen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Abschluss des Treffens. Impfstoffe sollten nicht nur in Europa und Asien, sondern auch in Afrika produziert werden.
Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa, der als Gast an den Beratungen zur Corona-Pandemie teilnahm, verlangte mehr und schnelle Hilfe von der G7, vor allem bei der Ausstattung der Gesundheitswesen und der Aussetzung von Patenten. "Wenn die Welt diese Krise überwinden will, dann ist entscheidend, dass wir zusammenarbeiten und unsere Mittel in die Länder leiten, die sie am nötigsten haben, und zwar jetzt," sagte Ramaphosa in Carbis Bay.