Gabriel: Zweifel an NATO-Ziel
1. März 2017Der neue deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hat vor einer zu starken Fokussierung auf das Militärische in der Sicherheitspolitik gewarnt. Bei einem Besuch in Estland bekräftigte der SPD-Politiker Zweifel am Ziel der NATO, wonach die Mitgliedsstaaten bis 2024 mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) für das Militär ausgeben sollten.
Beim NATO-Gipfel in Wales 2014 sei beschlossen worden, dass sich die Mitgliedstaaten bemühen, in den kommenden zehn Jahren in Richtung der zwei Prozent zu gehen, sagte Gabriel nach einem Treffen mit dem estnischen Außenminister Sven Mikser in der Hauptstadt Tallinn. Die Verteidigungsallianz habe aber nicht beschlossen, dass jedes Mitglied dann diese Marke auch erreichen müsse, erklärte der deutsche Chefdiplomat.
"Für Deutschland unrealistisch"
Gabriel bekräftigte, für Deutschland halte er dieses Ziel für unrealistisch. Man müsse sich auch überlegen, ob sich der Rest Europas ein Deutschland wünsche, das mehr als 60 Milliarden Euro für das Militär ausgebe. Das wäre bei einer Umsetzung des Zwei-Prozent-Ziels der Fall.
Gabriel betonte, Sicherheit könne nicht allein durch Verteidigungsausgaben gewährleistet werden. Dafür bedürfe es auch Anstrengungen etwa beim Kampf gegen Hunger und Armut in Afrika. Zudem sprach sich der Bundesaußenminister für eine kollektive Sicherheits- und Verteidigungsarchitektur in Europa aus, eine Verzahnung der Fähigkeiten der einzelnen Länder.
Verständnis in Tallinn
Mikser äußerte Verständnis für Gabriels Position. Der Schritt, der zum Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels getan werden muss, sei "sehr groß". "Es ist sicherlich nicht möglich, dies über Nacht zu erreichen", sagte er. Grundsätzlich müsse Beschlüssen der NATO-Staaten aber nachgekommen werden. Estland gehört als direkter Nachbar Russlands zu den wenigen Bündnisländern, die bei den Verteidigungsausgaben den NATO-Zielwert erreichen.
Das Zwei-Prozent-Ziel hat mit dem Amtsantritt der Regierung von US-Präsident Donald Trump neue Virulenz erhalten. Die neue US-Administration fordert von den europäischen NATO-Staaten ultimativ eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben.
In einem Fernsehinterview sicherte Gabriel den Bürgern der baltischen Republik die Solidarität Deutschlands zu: "Die Sicherheit Estlands ist unsere eigene Sicherheit." In Estland sind derzeit bis zu sechs deutsche Eurofighter zur Überwachung des baltischen Luftraums stationiert.
Mit Blick auf Russland hat die NATO ihre Präsenz in Osteuropa verstärkt. Die Bundeswehr führt einen Truppenverband in Litauen an. Nach Gesprächen im Lettland will Gabriel die deutschen Soldaten in Litauen am Donnerstag besuchen. Dann wird auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen das Baltikum besuchen.
wl/uh (dpa)