Gabriels schwieriger Spagat am Golf
11. März 2015Endlich, am letzten Tag, kommt Sigmar Gabriel mal mit ganz normalen Menschen in Kontakt. Auf einer der vielen Baustellen der katarischen Hauptstadt Doha trifft er fünf ausländische Arbeiter, drei kommen aus China, einer aus der Türkei, einer aus Burkina Faso. Über eine Million solcher Fremdarbeiter schuften im Emirat. Unter anderem, um die Stadien für die Fußballweltmeisterschaft 2020 in den Wüstensand zu stellen. Oft unter erbärmlichen Bedingungen, bei brütender Hitze, ohne Gesundheitsversorgung. Katar steht deswegen weltweit in der Kritik. Den fünf Arbeitern, mit denen der SPD-Politiker jetzt spricht, geht es besser als den meisten, erfährt Gabriel. Sie bekommen regelmäßig Gehalt, zwischen 500 und 1000 Euro im Monat, wovon sie einen Großteil in die Heimat schicken. Sie würden gut behandelt, auch weil deutsche Firmen auf dieser Baustelle engagiert sind. Die Deutschen gelten als vorbildlich, was die Arbeitsbedingungen angeht.
Was sagt der sozialdemokratische Minister, Vorsitzender seiner Partei, zu den teilweise unmenschlichen Bedingungen auf den meisten Baustellen? "Das ist nicht schön, aber viel hat sich schon gebessert, der internationale Druck hat gewirkt", meint Gabriel pragmatisch.
Pragmatismus ist immer wieder gefragt
Sachlichkeit: Das ist eine der Überschriften über diese Reise. Das beginnt schon bei der ersten Station, in Saudi-Arabien, wo Gabriel, so fordern es Menschenrechtsgruppen, sich für den verurteilten Blogger Raif Badawi einsetzen soll, der zu tausend Peitschenhieben verurteilt wurde, weil er für die Redefreiheit kämpft. Gabriel spricht darüber mit dem neuen König Salman und schweigt zum Inhalt. Dann verteidigt der Vize-Kanzler seine Haltung, keine Waffenlieferungen in die Region mehr zu erlauben. Und er nimmt hin, dass der mitreisende CSU-Politiker Peter Ramsauer das laut vor allen Kameras zu ideologisch nennt. Eigentlich macht man das nicht, die eigene Regierung im Ausland kritisieren. "Nicht ganz geschmackvoll", bemerkt Gabriel nur.
Der Minister hat einen guten Grund für die Sachlichkeit: Er hat über 100 Wirtschaftsvertreter mit an den Golf genommen, die sich neue Geschäfte vor allem bei den Erneuerbaren Energien erhoffen. Die stehen am Golf noch in den Kinderschuhen. Saudis oder Kataris von der Sonnenenergie zu überzeugen, ist nicht leicht, sie haben immer noch Öl und Gas in rauen Mengen, auch wenn der Ölpreis gerade niedrig ist. Es gilt, für eine freundliche Atmosphäre zu sorgen. "Man muss hier mehr als einmal hinkommen und viel Geduld haben", sagt denn auch Joachim Krüger, dessen Firma aus Mecklenburg-Vorpommern solarthermische Kraftwerke baut. Also lobt Gabriel in Saudi-Arabien, in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Katar die schon bestehenden Kontakte. Offenbar mit Erfolg: "Die Unternehmer, mit denen ich gesprochen habe, fanden die Reise gut", wird Gabriel am Ende sagen. Hauptzweck erfüllt, heißt das wohl.
Ungangemessener Luxus?
Einmal, am letzten Abend in Katar, geht es dem Minister dann so richtig gut: Sheikh Faisal, Großonkel des Emirs, durch Gasgeschäfte steinreich, hat in sein Privatmuseum geladen. Sage und schreibe 500 alte Autos hat er bisher gesammelt und stellt sie stolz zur Schau, nebst opulentem Mahl für die ganze Delegation aus Deutschland: Luxus im Überfluss. Gabriel ist begeistert, spricht von einem imposanten Lebenslauf der Scheichs, der als Kind noch im Beduinenzelt schlief. Der allerdings auch, so hört man, die extremistische Hamas finanziell unterstützt. "Das ist doch ein generelles Problem hier", entgegnet Gabriel Journalisten, die diesen Teil des Besuchs unangemessen nennen. "Viele reiche Menschen unterstützen hier islamistische Gruppen."
Immerhin: Mit dem katarischen Emir Hamad bin Chalifa Al Thani spricht Gabriel offen über die Gefahr des "Islamischen Staates". Und nimmt mit, wie besorgt alle Golfstaaten sind, dass sie durch die IS-Terrorgruppe destabilisiert werden könnten. Sich nur um Wirtschaftskontakte zu kümmern, ist eben nicht möglich bei einer Reise in die Golfregion in diesen unruhigen Zeiten.