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Gang nach Canossa

Jens Thurau30. Oktober 2002

"Fischer soll zerbrochenes Porzellan kitten: Gang nach Canossa - Bußgang nach Washington." Selten klangen die Schlagzeilen vor einem Besuch des deutschen Außenministers beim wichtigsten Verbündeten so dramatisch.

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Das weiße Haus in Washington: Kein Zutritt für FischerBild: AP

Zum ersten Mal seit der Bundestagswahl ist Joschka Fischer wieder in den USA. In der US-Hauptstadt Washington trifft er seinen Kollegen Colin Powell, mit dem er auch persönlich ein stabiles Verhältnis pflegt. Das kann man von den Chefs der beiden nicht sagen: US-Präsident George W. Bush ist immer noch über Schröders Ablehnung seiner Irak-Politik verärgert.

Auch Fischer lehnt diese Politik ab, und er will diesen Standpunkt auch in den USA nochmals klar machen. Das kündigte er bereits im Vorfeld der Reise im Bundestag an: "Unser Verständnis von Partnerschaft ist, dass man Differenzen auch offen anspricht zwischen freien Demokratien und gewählten demokratischen Regierungen." Und er stellte klar: "Das hat dann nichts mit Canossa zu tun - da haben wir ein anderes Verständnis von Bündnis."

Keine deutsche Beteiligung

Seit Monaten haben Kanzler Schröder und Präsident Bush nicht miteinander gesprochen. Glückwünsche aus den USA zu Schröders Wiederwahl blieben aus. Und noch in dieser Woche bekräftigte Schröder vor dem Deutschen Bundestag das "Nein" seiner Regierung zu einem Militärschlag gegen den Irak.

"Gegenüber dem Irak und anderen Gefahrenherden muss eine konsequente Politik der Abrüstung und internationaler Kontrolle vorrangiges Ziel bleiben", bekräftigte Schröder die deutsche Position. Deutschland werde sich daher an einer militärischen Intervention im Irak nicht beteiligen.

Liste von Forderungen

Es herrscht eine frostige Atmosphäre zwischen beiden Regierungen. Im Wahlkampf stellte die damalige deutsche Justizministerin Herta Däubler-Gmelin die US-Politik in einem Zusammenhang mit der Adolf Hitlers - sie verlor daraufhin ihr Amt. Washington reagierte zutiefst verletzt.

Mittlerweile kursieren Gerüchte, die Amerikaner hätten eine ganze Liste von Forderungen aufgestellt, die Berlin erfüllen müsse. Schröder müsse etwa den von den USA gewünschten EU-Beitritt der Türkei forcieren und Deutschland dürfe sich vor allem auf dem Prager NATO-Gipfel im November einer Konsenslösung zur Irak-Frage nicht in den Weg stellen.

Kein Termin im weißen Haus

Einen Termin im Weißen Haus hat Fischer nicht. Sein Amt dementierte aber heftig, dass trotz deutscher Bemühungen niemand mit ihm habe sprechen wollen. In New York wird der Grünen-Politiker UN-Generalsekretär Kofi Annan treffen. Der Grund: Deutschland wird dem Weltsicherheitsrat ab Anfang 2003 für zwei Jahre angehören und im Februar dessen Vorsitz übernehmen.

Die deutschen Wirtschaftsverbände hoffen, dass Fischer mögliche negative Auswirkungen des Streits auf den Handel der Länder abmildern kann. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag erklärte, er sei in Sorge, dass deutsche Firmen in den USA weniger öffentliche Aufträge erhalten könnten.

Von Eiszeit keine Rede

Der deutsche Botschafter in den USA, Wolfgang Ischinger, hält das für Panikmache. Er sieht die deutsch-amerikanischen Beziehungen auf gesunden Grundlage. "Weit über 40 Millionen Amerikaner definieren sich als Amerikaner mit deutscher Abstammung. Wer hier von Eiszeit spricht, der kann allerhöchstens ein sehr kleines Element dieser Politik meinen. Die Beziehungen insgesamt sind unverändert intensiv in sehr vielen Bereichen."

Ganz so schlimm wie Verteidigungsminister Peter Struck wird es Fischer wohl nicht ergehen. Kurz nach der Bundestagswahl Ende September war der auf einem Nato-Treffen in Warschau von seinem US-Kollegen Donald Rumsfeld demonstrativ gemieden worden. Und dann hatte sich Rumsfeld vor dem Presse über Struck lustig gemacht.