Gas-Notfallplan der EU in Kraft getreten
9. August 2022Nach der Veröffentlichung des Gas-Notfallplans im Amtsblatt der EU am Montag erlangte der Plan an diesem Dienstag Gültigkeit. Die Verordnung sieht vor, dass alle EU-Länder ihren Gasverbrauch von Anfang August bis März nächsten Jahres freiwillig um 15 Prozent senken, verglichen mit dem Durchschnittsverbrauch der vergangenen fünf Jahre in diesem Zeitraum. Wie die 27 EU-Mitgliedsländer ihre Nachfrage senken, bleibt ihnen überlassen. Der Notfallplan gilt zunächst für ein Jahr. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine hat Russland seine Erdgas-Lieferungen an die EU bereits drastisch reduziert.
In der Verordnung sind zahlreiche Ausnahmen für Staaten wie Spanien und Italien sowie "kritische Wirtschaftszweige" wie etwa die Lebensmittelindustrie vorgesehen. Insgesamt müssen nach Zahlen der EU-Kommission 45 Milliarden Kubikmeter Gas gespart werden. Deutschland müsste etwa 10 Milliarden Kubikmeter Gas weniger verbrauchen, um das 15-Prozent-Ziel zu erreichen.
Bundesrepublik muss mehr einsparen
Die Ausnahmen bedeuten, dass Deutschland in diesem Winter voraussichtlich deutlich mehr Gas sparen muss als andere Länder, um bei einem möglichen russischen Gaslieferstopp große Probleme für die Industrie oder sogar eine Rezession zu verhindern. Das hatte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nach der Einigung auf den Gas-Notfallplan Ende Juli in Brüssel gesagt. Er verwies dabei auf die "strategischen Fehler" der Vorgängerregierungen und die hohe deutsche Abhängigkeit von russischem Gas.
Falls nicht genug gespart wird und es weitreichende Versorgungsengpässe gibt, kann im nächsten Schritt ein EU-weiter Alarm mit verbindlichen Einsparzielen ausgelöst werden. Die Hürde dafür ist allerdings hoch: Nötig wäre die Zustimmung von mindestens 15 EU-Ländern, die zusammen mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der Union ausmachen.
Bundesländer wollen mitreden
Mehrere Bundesländer wollen über die Notfallpläne mitbestimmen, nach denen hierzulande das Gas bei Knappheit verteilt und rationiert würde. Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen könne diese Entscheidung nicht allein der Bundesnetzagentur überlassen werden, sagte Hamburgs Erster Bürgermeister, Peter Tschentscher (SPD). "Der Bund sollte bei der Festlegung der Grundlinien für eine Priorisierung von Gaslieferungen die Länder einbeziehen." Weil die Produktionsketten komplex vernetzt seien, komme es darauf an, die praktischen Auswirkungen richtig abzuschätzen.
Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz sagte, die Entscheidungen würden im Ernstfall die Bundesländer betreffen. Deswegen müssten diese "ernsthaft" einbezogen werden. Das bisherige Vorgehen lasse dies "völlig vermissen".
Bundesnetzagentur will schnelle Entscheidungen
Widerspruch kommt vom Chef der Bundesnetzagentur, Klaus Müller. Nach seiner Ansicht sind die Bundesländer ausreichend eingebunden, wenn es um die Erarbeitung der Notfallpläne bei einer Gasknappheit geht. Die Länder seien von Anfang an am Krisenteam Gas beteiligt gewesen, Anregungen und Kritik nehme die Netzagentur gerne auf, sagte Müller am Dienstag im Zweiten Deutschen Fernsehen.
Transparenz sei wichtig, allerdings müsse in Krisensituationen schnell gehandelt werden. Womöglich habe man nur 24 Stunden Zeit, um bestimmte Entscheidung vorzubereiten, und noch weniger, sie zu treffen. "Und wir kennen aus anderen Krisensituationen, wenn viele mitreden wollen, dass es oft leider nicht so schnell geht", sagte Müller.
Oberste Priorität habe aber, eine Gasmangellage zu vermeiden. Hier seien Einsparungen wichtig, betonte der Behördenchef. Deutschland müsse 20 Prozent Gas einsparen, um gut über den Herbst und den Winter zu kommen. Im bisherigen Jahresverlauf lägen die Einsparungen hierzulande bei rund 14 Prozent. Müller räumte in diesem Zusammenhang ein, dass dabei "dieser sehr, sehr warme Sommer uns geholfen hat". Der Agenturchef betonte, es sei keine gute Idee, mit Strom heizen zu wollen. Das sei selbst bei den gestiegenen Gaspreisen wesentlich teurer. Besser sei es, die Heizung besser einzustellen und zu überlegen, wie warm es sein muss.
kle/as (dpa, afp)