Iran steht vor einer Richtungswahl
Mitten im Foyer eines schicken Hotels in Isfahan hängt ein Plakat mit weisen Sprüchen des obersten religiösen Führers Ajatollah Ali Chamenei. "Willkommensgeschenk" steht auf Englisch oben drüber. Darunter stehen Sätze wie dieser: "Eine unglückselige Vermischung mit importierter Kultur ist schädlich und führt zu Gewalt, weil die pathologische westliche Kultur anderen Nationen aufgedrängt wird." Als Weg in eine bessere Zukunft wird empfohlen, "der islamischen Welt mit mehr Respekt entgegenzutreten". Zum Weiterlesen gibt es den Verweis auf die Webseite des Revolutionsführers. Von einem entspannten Verhältnis zum Westen ist Iran also noch weit entfernt. Wie sich dieses Verhältnis in den kommenden Jahren weiterentwickelt, hängt maßgeblich von der Präsidentenwahl am heutigen Freitag ab.
Amtsinhaber Hassan Rohani war 2013 noch nicht einmal zwei Monate im Amt, da griff er zum Hörer und telefonierte mit Barack Obama. Es war das erste direkte Gespräch eines iranischen mit einem amerikanischen Präsidenten seit 1979. Zwei Jahre später wurde das Atomabkommen unterzeichnet, das die Grundlage legte für eine vorsichtige Wiederannäherung Irans an den Westen, zunächst an Europa. Seither haben unzählige Wirtschaftsdelegationen Teheran besucht. Doch die breite Bevölkerung hat von dem versprochenen Wirtschaftsaufschwung bislang nicht profitiert. Das ist der Grund, warum Rohani nun um seine Wiederwahl bangen muss.
Iran steht vor einer Richtungswahl. Sie entscheidet, ob Rohani seinen Kurs fortsetzen und das Land womöglich Schritt für Schritt aus der internationalen Isolation lösen kann. Oder ob sich mit seinem Herausforderer Ebrahim Raisi jene Kräfte durchsetzen, die dem Westen mit tiefem Misstrauen begegnen und bei jedem Spaltbreit der Öffnung eine kulturelle Invasion wittern. Während Rohani um ausländische Investoren wirbt, spricht Raisi von "dschihadistischem Management" und "Widerstandswirtschaft". Zwar hat auch der Kandidat der Hardliner versichert, das Atomabkommen nicht antasten zu wollen. Doch könnte schon seine anti-amerikanische Rhetorik die Spannungen mit Washington weiter anheizen. Raisi steht den Revolutionsgarden nahe, die dem Atomabkommen tendenziell eher kritisch gegenüberstehen, auch weil sie große Teil der Wirtschaft kontrollieren und ausländische Konkurrenz fürchten.
Doch auch im Falle einer Wiederwahl Rohanis wird eine Annäherung an den Westen nur in kleinen Schritten vorankommen. Denn Iran ist neben Russland der wichtigste Verbündete von Syriens Diktator Baschar al-Assad. Teheran wird ihn weiter militärisch am Leben halten, unabhängig davon, welcher Kandidat am Freitag gewinnt. Ohnehin hat der Präsident in Iran nur begrenzten Einfluss auf die Sicherheitspolitik, denn die bestimmt der Revolutionsführer, der eigentliche Machthaber des Landes. Und der wird nicht gewählt.
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