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Politik

"Sí" zu Frieden und Versöhnung

Tom Koenigs
Tom Koenigs
3. Oktober 2016

Das Plebiszit über das Friedensabkommen ist eine sehr persönliche Entscheidung für alle Kolumbianerinnen und Kolumbianer. Das Ergebnis kann Vorbild für die Lösung der Konflikte in der Welt sein, meint Tom Koenigs.

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Volksabstimmung in Kolumbien
Bild: DW/T. Käufer

Kolumbien steht vor einer historischen Entscheidung: Nach über 52 Jahren Krieg mit der FARC, 340.000 Toten und sechseinhalb Millionen Binnenvertriebenen hat das Land die Möglichkeit, den bewaffneten Konflikt zu beenden. Die Volksabstimmung gibt dem Verhandlungsergebnis von Havanna Legitimation und Verbindlichkeit.

Frieden muss auch versöhnen

Der nationale Friedensprozess ist ein eigener kolumbianischer Prozess. Aber er hat auch internationale Bedeutung. Die kolumbianischen Verhandlungsergebnisse zeigen, dass viel aus der Erfahrung anderer Länder gelernt worden ist, auch aus der Erfahrung Deutschlands.

Der Friedensprozess ist nicht nur das Ende eines Krieges, sondern auch ein Schritt zur Versöhnung. Die Wahrheit und die Würde der Opfer stehen im Mittelpunkt. Was in Deutschland in den Prozessen gegen die Nazis nach dem Zweiten Weltkrieg und auch nach der Wiedervereinigung 1990 nicht gelungen ist, steht bei der kolumbianischen Übergangsjustiz schon am Anfang: die Wahrheit über das Geschehene und die Übernahme der Verantwortung durch die Täter. Geständige Täter werden nicht ins Gefängnis, sondern zu Wiedergutmachungsstrafen verurteilt - bis zu acht Jahren.

Man blickt also nach vorn und stellt ein friedliches Zusammenleben und die Nichtwiederholung in den Vordergrund, nicht die Vergeltung. Dieser Umgang mit den Hauptverantwortlichen für schwerste Verbrechen auf allen Seiten - Rebellen, Militärs, Paramilitärs, Politikern und Unternehmern, allen anderen Verantwortlichen - hat nichts mit Straflosigkeit zu tun. Es ist ein neuer und ambitionierter Weg, der Wiedergutmachung und Wiederherstellung des inneren Friedens.

Opfer haben ihre eigene Perspektive

Manche wundern sich, dass das "Sí" zu den Friedensverträgen in Kolumbien so umstritten ist, während es im Ausland so einhellig begrüßt wird. Aber man kann denen, die viel gelitten haben - immerhin gibt es viele Millionen Opfer - nicht vorschreiben, wie sie mit den an ihnen begangenen Verbrechen umgehen sollen. Das Referendum ist und bleibt eine sehr persönliche Entscheidung jeder Kolumbianerin und jedes Kolumbianers. Der Schriftsteller Héctor Abad Faciolince hat das in seinen Schriften am besten deutlich gemacht.

Für die Freunde Kolumbiens in aller Welt wäre ein deutliches "Sí" ein wichtiges Beispiel für eine Lösung von Konflikten durch Verhandlungen, Gespräche und Zusammenarbeit statt mit Waffengewalt. Das gilt für Konfliktlösungen im Kleinen und im Großen. Kolumbien mit seiner mehr als 100 jährigen Geschichte der Lösung beziehungsweise Nichtlösung von Konflikten durch Gewalt kann damit ein Signal des Friedens an die Welt senden. Deshalb werbe ich für das "Sí".

Tom Koenigs (Jahrgang 1944) war mehrere Jahre Umweltdezernent und Stadtkämmerer von Frankfurt am Main. Außerdem war er stellvertretender Sondergesandter der UN im Kosovo, später Leiter der UN-Missionen in Afghanistan und Guatemala. Seit 2009 sitzt er für die Grünen im Deutschen Bundestag. Das Auswärtige Amt hat ihn als Berater zu den Friedensverhandlungen nach Kolumbien entsandt.

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