Alles in einer Hand
Jetzt muss man in der Türkei an einem Kiosk nur noch eine der vielen Zeitungen kaufen. Dann erfährt man auch das, was in allen anderen Zeitungen anderen steht - dort vielleicht mit anderen Bildern illustriert, aber nicht selten mit gleichen Formulierungen Wort für Wort. Denn wenn Aydin Dogan, der frühere "Medienzar der Türkei", seine Zeitungen und Fernsehsender an die Demirören-Gruppe abgetreten haben wird, gibt es in der Türkei keine unabhängige Mediengruppe mehr.
Nicht ins Gewicht fallen dann die paar kleinen linken Zeitungen, die sich kaum über Wasser halten können, weil kaum jemand wagt, in ihnen zu inserieren, oder weil ihre wichtigsten Journalisten im Gefängnis sitzen.
Das Ziel ist erreicht
So findet seinen Abschluss, was der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan seit einem Jahrzehnt zielstrebig betreibt: Auf seinen Wunsch hin kaufen Unternehmer, die ihm nahestehen, Medien auf. Das Geschäft lohnt sich für beide Seiten. Denn zunächst verschafft Erdogan loyalen Geschäftsleuten Staatsaufträge; die wiederum verwenden einen Teil ihres neuen Reichtums, um Medien aufzukaufen und kritische Stimmen auszuschalten.
Jedoch müssen zuvor die Besitzer der Medien mürbe gemacht werden, und Aydin Dogan war einer der ersten, die in Erdogans Schussfeld geraten sind. 2009 sollte ihn eine "Steuernachzahlung" von umgerechnet 3,3 Milliarden Dollar in die Knie zwingen. Mit Milliyet und Vatan musste er 2011 erstmals Zeitungen an die Familie Demirören abtreten. Heute ist Milliyet, einst eine angesehene Zeitung, bedeutungslos. Derselbe Demirören übernimmt nun mit Hürriyet die einflussreichste Zeitung der Türkei, mit Posta das wichtigste Boulevardblatt und mit CNN Türk den letzten seriösen Fernsehsender.
Spätestens in einem Jahr müssen in der Türkei Kommunal- und Präsidentenwahlen stattfinden. An der Medienfront droht mit der Übernahme der Zeitungen und Fernsehsender der Dogan-Holding keine Gefahr mehr. Die wichtigste Oppositionspartei CHP spricht von einem neuen großen Monopol. Erdogans Monopolkommission wird das nicht bestätigen, falls ihr der Fall überhaupt vorgelegt wird.
Der Präsident kontrolliert
Hürriyet hat seine direkte Kritik an Erdogan schon lange eingestellt; die Zeitung bot jedoch abweichenden Meinungen noch etwas Raum. Mit ihrem Verkauf geht eine Ära zu Ende. Erstmals kontrolliert nun ein Präsident die Medien, und fast vier Jahrzehnte, nachdem Aydin Dogan mit Milliyet seine erste Zeitung erworben hatte, kann sich seine Holding wieder auf ihr Kerngeschäft konzentrieren - und wird nun wohl von "Steuernachforderungen" verschont bleiben.
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