Zwischen Optimismus und Realismus
13. Februar 2016Joachim Gauck wirkt angestrengt, als er aus dem Hubschrauber in die Hitze der Provinzhauptstadt Koulikoro klettert. Seine Krawatte, die der Bundespräsident kurz vorher noch beim Treffen mit dem malischen Präsidenten trug, hat der 76-Jährige abgelegt. Die Sicherheitslage hier ist angespannt, an jeder Ecke positionieren sich schwer bewaffnete Soldaten. Doch spätestens als sich Oberst Mamadou Traoré vor ihm aufbaut, salutiert und begrüßt, hat Gauck wieder ein Lächeln im Gesicht. "Es ist für uns eine große Ehre sie und ihre Delegation empfangen zu dürfen", sagt der Leiter des malischen Ausbildungszentrums in Koulikoro - und Gauck ist überrascht über das fließende Deutsch von Traoré.
Der Diplom-Pädagoge hat lange in Deutschland gelebt und macht keinen Hehl daraus, wie dringend die Malier auf die Ausbildung angewiesen sind. "Die Armee im Allgemeinen braucht Unterstützung, in allen Bereichen", sagt Traoré gegenüber der DW. "Wir haben viele Schwächen entdeckt und wollen jetzt viele Schritte machen, um unser Schicksal wirklich selbst in die Hände zu nehmen."
Mehr als 7000 ausgebildete malische Soldaten
Im Ausbildungszentrum der Europäischen Union wurden seit 2013 mehr als 7000 malische Soldaten für ihren Einsatz im Norden Malis fit gemacht. 450 Soldaten aus 23 Ländern trainieren mit den Maliern. Bald soll über eine Folgemission entschieden werden. "Wir Deutschen sind hier mit einem nennenswerten Kontingent vertreten", sagt Gauck im "Camp Gecko" vor deutschen Soldaten. "Der malische Präsident hat deshalb heute mir gegenüber seine große Dankbarkeit dafür ausgedrückt - und diese gebe ich nun weiter für diesen relativ jungen Einsatz von deutschen Militärkräften hier im Land."
Vor allem für die bis zu 650 zusätzlichen Soldaten hatte sich Malis Präsident Ibrahim Boubacar Keita zuvor bei Gauck bedankt. Die Truppen sollen im Rahmen der UN-Friedensmission MINUSMA bis Sommer in Gao im gefährlichen Norden des Landes eingesetzt werden. MINUSMA gilt als die gefährlichste Mission der Vereinten Nationen. Seit zwei Jahren sind rund 11.000 Friedenshüter im Einsatz, mehr als 60 von ihnen wurden getötet. Am Tag des Gauck-Besuchs geriet eine UN-Basis in der Stadt Kidal unter Beschuss, acht Mörsergranaten schlugen ein. Fünf Blauhelme kamen ums Leben, mehr als 30 Menschen wurden verletzt. Angeblich stecken Islamisten hinter der Attacke.
Gewalt trotz Waffenstillstandsvereinbarung
Mali kämpft in der Wüste Sahara seit Jahren gegen verschiedene Gruppen von Islamisten und Rebellen. Zwar nennt Malis Präsident Keita eine Waffenstillstandsvereinbarung zwischen Regierung und einem Teil der Aufständischen einen großen Erfolg. Aber mehrere Tuareg-Gruppen haben die Vereinbarung nicht unterzeichnet - ganz zu schweigen von den verschiedenen Terrorgruppen. Al-Mourabitoun und al-Qaida im Maghreb hatten im November zuletzt sogar die Hauptstadt ins Visier genommen. Bei einem Angriff auf ein Luxushotel in Bamako töteten sie 20 Menschen.
Malis Armee ist alleine vom islamistischen Terror überfordert, darin sind sich Experten einig. Der Norden des Landes ist etwa dreimal so groß wie Deutschland, schwach besiedelt und es gibt kaum staatliche Strukturen, ja noch nicht mal eine funktionierende Infrastruktur. Drogen-, Waffen- und Menschenhandel sind eine der wenigen Verdienstmöglichkeiten in der Region. Gauck nimmt deshalb auch die malische Politik in die Pflicht: Das Land selbst müsse mehr zu seiner Befriedung tun. Mali ist seit 1960 einer der wichtigsten Partner deutscher Entwicklungszusammenarbeit. Aus Kreisen des Bundespräsidenten ist zu hören, dass seitdem 1,27 Milliarden Euro deutsche Entwicklungshilfegelder investiert wurden.
"Kein Vertreter eines blauäugigen Optimismus"
Am späten Nachmittag landet Gaucks Hubschrauber wieder in Bamako, direkt neben der Regierungsmaschine. Davor steht erneut der malische Präsident mit seinem gesamten Kabinett - wie auch schon bei der Ankunft und später im Präsidentenpalast. Nach knapp sieben Stunden im Land fliegt Gauck wieder nach Deutschland. In Nigeria hatte er sich zuvor vier Tage Zeit genommen, um das komplexe Land kennenzulernen und zu verstehen. In Mali war er deutlich kürzer - aus Sicherheitsgründen. "Ich bin hier nicht hergekommen als Vertreter eines blauäugigen Optimismus", sagt Gauck. Die Lage sei weiterhin heikel, gibt er zu. Und nur wenige hier glauben, dass sich das in Kürze ändern wird.