Gauck fordert Mentalitätswechsel
31. Januar 2014Bundespräsident Joachim Gauck hat von Deutschland eine aktivere Rolle in der internationalen Politik gefordert. "Die Bundesrepublik sollte sich als guter Partner früher, entschiedener und substanzieller einbringen", sagte er am Freitag (31.01.2014) zum Auftakt der 50. Münchner Sicherheitskonferenz. Er plädierte für einen grundlegenden Mentalitätswechsel: Jahrzehntelange habe die Politik in Deutschland mit dem Hinweis auf die NS-Vergangenheit die eigene, vor allem militärische Zurückhaltung begründet. Jetzt müsse erkannt werden, dass zur Verteidigung der von Deutschland vertretenen Werte eine aktivere Rolle nötig sei. Man dürfe nicht die Augen verschließen und "vor Bedrohungen fliehen", sagte Gauck.
In sein Plädoyer für eine stärkere Rolle Deutschlands im Rahmen von EU und NATO schloss Gauck ausdrücklich militärisches Engagement ein. "Deutschland wird nie rein militärische Lösungen unterstützen, wird politisch besonnen vorgehen und alle diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen", sagte er. "Aber wenn schließlich der äußerste Fall diskutiert wird - der Einsatz der Bundeswehr -, dann gilt: Deutschland darf weder aus Prinzip "nein" noch reflexhaft "ja" sagen." Die Bundesrepublik müsse bereit sein, mehr zu tun für jene Sicherheit, die ihr über Jahrzehnte von anderen gewährt wurde.
Keine Trippelschritte mehr
Gauck begründete seine Forderung nach einer Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik unter anderem mit den Bestrebungen der USA, ihr globales Engagement zurückzufahren. Gleichzeitig sei Europa inmitten der Euro-Krise mit sich selbst beschäftigt, sagte er. "Im Zuge dieser Entwicklungen zu glauben, man könne in Deutschland einfach weitermachen wie bisher - das überzeugt mich nicht." Er betonte auch, dass die Bundesrepublik überdurchschnittlich globalisiert sei und deshalb überdurchschnittlich von einer offenen Weltordnung profitiere.
Der Bundespräsident wies aber auch den Vorwurf einiger Partner zurück, Deutschland sei ein "Drückeberger". Allerdings könne man sich 24 Jahren nach der deutschen Einheit nicht mehr nur in Trippelschritten voranbewegen. "Die Bundesrepublik muss dabei auch bereit sein, mehr zu tun für jene Sicherheit, die ihr über Jahrzehnte von anderen gewährt wurde", sagte er.
An diesem Samstag wird der erbitterte Machtkapf in der Ukraine einer der Schwerpunkte der Konferenz sein. Dazu wird auch der ukrainische Oppositionspolitiker Vitali Klitschko auf dem Podium erwartet. Auf der Agenda steht zudem eine Diskussion mit den US-Ministern für Äußeres und Verteidigung, John Kerry und Chuck Hagel. Für den Mittag ist eine Demonstration von Konferenzgegnern geplant.
Atom-Verhandlungen mit Iran werden Mitte Februar fortgesetzt
Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz wurde bekannt, dass die internationalen Verhandlungen über das iranische Atomprogramm am 18. Februar in Wien fortgesetzt werden sollen. Auf den Termin hätten sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif geeinigt, sagte ein Sprecher Ashtons. Die EU-Chefdiplomatin vertritt in den Verhandlungen die sogenannte 5+1-Gruppe der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands.
Im Ringen um eine Beilegung des Konfliktes war Ende November ein erster Durchbruch gelungen: Im Gegenzug für eine Lockerung einiger Sanktionen verpflichtete sich Teheran, einen Teil seines Atomprogramms einzufrieren. Das auf sechs Monate angelegte Interimsabkommen trat am 20. Januar in Kraft. In den nun anstehenden Verhandlungen soll eine endgültige Überwindung des Konfliktes erreicht werden.
Auf der Sicherheitskonferenz beraten bis Sonntag mehr als 400 internationale Gäste, darunter 20 Staats- und Regierungschefs sowie 50 Außen- und Verteidigungsminister. Auf der Agenda für die Gespräche stehen auch die aktuellen Konflikte in Syrien und der Ukraine. Der zu den Gästen zählende US-Außenminister John Kerry will in München erstmals mit den führenden ukrainischen Oppositionspolitikern, darunter Vitali Klitschko, reden.
pg/hf (dpa, afp, rtr)