Hamas-Extremisten stürmen Fatah-Hauptquartier in Gaza
12. Juni 2007Der Machtkampf zwischen der islamistischen Hamas und der gemäßigteren Fatah von Präsident Mahmud Abbas im Gazastreifen ist am Dienstag (13.6.07) eskaliert. Wenige Minuten nach Ablauf eines Ultimatums stürmten Kämpfer einer Hamas-Miliz in Gaza das Hauptquartier einer Sicherheitseinheit der rivalisierenden Fatah. Die Hamas hatte der Fatah am Morgen eine Frist bis 13 Uhr gesetzt, mehrere Hauptquartiere in der Stadt zu räumen. Als betroffene Einheiten wurden unter anderem der militärische Geheimdienst und die Präsidentengarde genannt.
Putschversuch?
Die unter Kontrolle von Präsident Mahmud Abbas stehenden Nationalen Sicherheitskräfte beschuldigten die Hamas-Bewegung eines Putschversuchs und gaben den Befehl, den Umsturz niederzuschlagen. Die mitregierende Hamas hatte zuvor Augenzeugen zufolge faktisch die Kontrolle über den Norden und das Zentrum des Gazastreifens an sich gerissen. Gleichzeitig griff die Auseinandersetzung auch erstmals in größerem Ausmaß auf das von der Fatah dominierte Westjordanland über. Abbas rief vergeblich zu einer sofortigen Waffenruhe auf.
"Voran, Truppen! Bietet den Putschisten die Stirn", hieß es in dem Befehl der Nationalen Sicherheitskräfte, der in dem Küstenstreifen veröffentlicht wurde. Die Hamas sei eine "blutige Partei, die einen Putsch gegen den Präsidenten, gegen die Autonomiebehörde und gegen die Regierung der nationalen Einheit versucht".
Fatah droht mit Rückzug aus Regierung
Die Hamas warf ihrerseits der Fatah vor, die Regierung Hanija stürzen zu wollen. "Bestimmte Parteien arbeiten mit Gruppen zusammen, die unserem Volk feindlich gesinnt sind und haben versucht, die Regierung der nationalen Einheit mit Gewalt zu Fall zu bringen", sagte ein Mitarbeiter Hanijas.
Die Fatah drohte mit dem Rückzug aus der von der Hamas geführten Regierung der nationalen Einheit. Der Fatah-Sprecher Ahmed Abdelrahman erklärte am Dienstag, das Zentralkomitee werde den Verbleib der Fatah in der Regierung prüfen. Für die anhaltende Gewalt machte der Sprecher eine "perverse Gruppe innerhalb der Hamas-Führung" verantwortlich.
Hamas-Milizen übernehmen Kontrolle
Bei den Kämpfen starben am Dienstag mindestens drei Menschen. Damit stieg die Zahl der Toten bei den bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen seit Montag auf 19. Am Morgen hatten bewaffnete Männer eine Mörsergranate auf das Haus des palästinensischen Ministerpräsidenten Ismail Hanija in Gaza abgefeuert. Das Geschoss habe erheblichen Sachschaden angerichtet, jedoch niemanden verletzt, hieß es. Erst am Montag war das Haus von Abbas von vier Granaten getroffen worden.
Hamas-Milizionäre übernahmen die Kontrolle über die Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens und besetzten dort Polizeistationen. Über 90 Mitglieder der Präsidialgarde von Abbas und der von der Fatah kontrollierten Polizei hätten sich ergeben, verlautete aus Polizeikreisen. Auch im Norden des Gazastreifens forderten Hamas-Milizionäre die Fatah-Polizeitruppe zur Aufgabe auf.
Verhandlungen abgelehnt
Einer der Kommandeure der Fatah im südlichen Gazastreifen, Oberst Nasser Chaldi, räumte ein, dass seine Einheiten in der Defensive seien. Er forderte Abbas auf, den Befehl zum Gegenangriff zu geben. "Es gibt eine Schwäche unserer Führung", sagte Chaldi. "Die Hamas übernimmt einfach unsere Stellungen. Es gibt keine Befehle. Die Befehle müssen von Abbas kommen, von niemandem sonst." An mehreren Orten im Gazastreifen kam es zu heftigen Gefechten.
Ägyptische Vermittler meldeten, beide Seiten hätten es abgelehnt, sich zu Waffenstillstandsverhandlungen zu treffen. Die Situation könne nur noch als Krieg bezeichnet werden, sagte Fatah-Sprecher Maher Mikdad. In einer Botschaft der Fatah wurden alle Mitglieder aufgerufen, alle politischen und militärischen Führer der Hamas anzugreifen. Für Empörung sorgte bei der Partei von Abbas vor allem der Überfall auf den Fatah-Funktionär Dschamal Abu al Dschedijan, der am Montagabend im nördlichen Gazastreifen aus seinem Haus gezerrt und mit 45 Schüssen getötet wurde. (stu)