Baubeginn bei South-Stream
7. Dezember 2012Wladimir Putin kam persönlich. Für den Präsidenten, der Russlands Aufstieg zu einer Energie-Supermacht zur Chefsache erklärt hat, ging es am Freitag (07.12.2012) um einen weiteren Meilenstein auf diesem Weg. Da wurden in der Nähe des südrussischen Badeorts Anapa am Schwarzen Meer die ersten Rohre der South-Stream-Pipeline zusammengeschweißt. Die Leitung soll zunächst rund 900 Kilometer unter Wasser verlegt werden. Unweit des bulgarischen Hafens Varna kommt sie an Land. Von dort soll russisches Gas weiter über Serbien, Ungarn und Slowenien bis nach Italien fließen.
Das milliardenschwere Projekt wird vom russischen Energiekonzern Gazprom vorangetrieben. Er ist zur Hälfte am Betreiberkonsortium South Stream Transport beteiligt. Weitere Anteilseigner sind die italienische ENI mit 20 Prozent sowie die französische EDF und die deutsche BASF-Tochter Wintershall, die je 15 Prozent halten. Vorsitzender des Verwaltungsrats des Konsortiums ist der ehemalige Bürgermeister Hamburgs, Henning Voscherau. Das Projekt soll nach offiziellen Angaben Ende 2015 fertig sein und dann jährlich bis zu 63 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren.
Neue Strategie Gazproms
Diese Zahl ist vergleichbar mit der Gasmenge, die derzeit noch über die Ukraine nach Europa gepumpt wird. Die Ukraine war bisher das Haupt-Transitland für russisches Gas. Über die noch zu Sowjetzeiten verlegten Leitungen bezog die Europäische Union rund 80 Prozent ihrer Gasexporte aus Russland
Doch diese Zeiten sind vorbei. Roland Götz, der über viele Jahre Russland-Experte bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik war, spricht von einer "neue Strategie" bei Gazprom. Ziel des staatlich kontrollierten Energiekonzerns sei die "Umgehung der Transitländer durch Unterwasserpipelines". Als erster Schritt sei 2011 das Nord-Stream-Projekt umgesetzt worden, das russisches Gas über die Ostsee direkt nach Deutschland transportiere. Nun werde mit South Stream ein zweiter Schritt im Süden folgen, sagt Götz im DW-Gespräch. Auf der Karte sehen die beiden Pipelines wie eine Zange aus, mit der Europa im Griff gehalten wird.
Ukraine als Verlierer
Die Ukraine taucht in der Werbebroschüre des South Stream Betreiberkonsortiums kein einziges Mal auf. Dafür ist von neuen "zuverlässigen Lieferrouten" die Rede. In den vergangenen Jahren wurden russische Gaslieferungen nach Europa mehrmals unterbrochen, weil sich Russland und die Ukraine über Gaspreise stritten.
Die Ukraine sieht sich als Opfer der neuen russischen Energiepolitik, denn sie wird Transportgebühren als Einkommensquelle verlieren. Nach Angaben der Regierung in Kiew pumpte Gazprom bereits zwischen Januar und Oktober 2012 20 Prozent weniger Gas nach Westeuropa als im Vorjahreszeitraum. In Kiew rechnet man damit, dass die Transitmengen weiter sinken werden. "Sollte Gazprom eine Alternativroute für seine Gastransporte nach Südeuropa bekommen, würde die Ukraine ihre Monopolstellung als Transitland verlieren", sagte der Moskauer Wirtschaftsexperte Alexander Polygalow der DW.
Zweifel an der Wirtschaftlichkeit
Die Wirtschaftlichkeit des South-Stream-Projekts ist jedoch umstritten. Mit geplanten 16 Milliarden Euro Baukosten ist die Schwarzmeer-Pipeline mehr als doppelt so teuer wie Nord Stream an der Ostsee. Die ukrainische Regierung weist vor diesem Hintergrund darauf hin, dass eine Modernisierung ihrer bereits bestehenden Pipelines mit 4,5 Milliarden Euro deutlich billiger wäre.
Unklar ist auch, wie sich in der Zukunft die Nachfrage nach russischem Gas entwickelt. "South Stream kommt zu einem Zeitpunkt, in dem der europäische Gasmarkt im Umbruch ist", sagt Roland Götz. Die Nachfrage steige nicht so stark wie zunächst prognostiziert. Der Grund: Neue Energiequellen wie Schiefergas oder Biogas würden den Markt "unübersichtlicher" machen, meint der Energieexperte.
Diese Entwicklung ist in Russland bekannt. Doch der Kreml zeigt sich zuversichtlich. "Auch wenn die Nachfrage nach Gas jetzt sinkt, es werden auch wieder bessere Zeiten kommen", sagte Putin auf einer Pressekonferenz im Sommer 2012. Das Projekt South Stream werde umgesetzt, so der Kremlchef.
Konkurrenz für Nabucco
Doch es gibt noch einen Grund, der den Bau einer teueren Pipeline im Süden Europas erklären kann. Mit South Stream gräbt Russland dem Nabucco-Projekt das Wasser ab. Nabucco ist eine Pipeline-Planung, die von der Europäischen Union favorisiert wird. Brüssel möchte zukünftig Gas aus Zentralasien über die Türkei nach Europa pumpen und so seine Abhängigkeit von Russland verringen. Aus europäischer Sicht gehe es darum, "aus verschiedenen Ländern Gas zu beziehen, nicht nur aus Russland", sagt Claudia Kemfert, Expertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) zur DW. Russland aber möchte genau das verhindern. "Sollte es South Stream nicht geben, dann würde Nabucco kommen", sagt ihr russischer Kollege Polygalow. Und damit würde Russland seine Macht als Energielieferant einbüßen.
Momentan scheint Moskau die besseren Karten zu haben. Russland habe das Nabucco-Projekt erfolgreich gestört, stellt der deutsche Experte Götz fest. Während sich die Realisierung der Nabucco-Pipeline derzeit verzögert und vielleicht sogar ganz aufgegeben werden könnte, schafft Russland mit dem Baubeginn von South Stream Tatsachen.