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Gedenken in Erfurt

Christina Bergmann3. Mai 2002

Am heutigen Freitag findet in Erfurt die zentrale Trauerfeier für die Opfer des Amoklaufs des 19-jährigen Robert S. statt.

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Blumenmeer am Gutenberg-GymnasiumBild: AP

Draußen, auf den Stufen des Erfurter Doms hat der Regen die Kerzen gelöscht und die Blumen verwelken lassen. Doch vor dem Altar im Inneren der Kirche ist das Blumenmeer noch immer frisch. Und auch sechs Tage nach der schrecklichen Tat kommen ständig Menschen hierher, um der Toten zu gedenken. Männer, Frauen, alte und junge, aber vor allem viele Schülerinnen und Schüler bringen einzelne Rosen, Nelken oder ganze Gestecke, selbst gemalte Bilder und Kerzen.

In der Mitte steht eine weiße Vase mit 16 langstieligen roten Rosen – eine Rose für jedes Opfer. Die Besucher verharren, lesen die Briefe auf denen Sätze stehen wie "Wir trauern um die Toten" aber auch "Robert S., ich hasse Dich für diese Tat". Die Gesichter sind versteinert, viele können nur mit Mühe die Tränen zurückhalten, die sonst so coolen Jungs nehmen ihre Baseballkappen ab.

Zu viel Hektik – zu wenig Gedenken

In dem kleinen Cafe auf den Domstufen serviert Bärbel Mai selbstgemachten Schmandkuchen und Bohnensuppe. Erst am Mittwoch, erzählt sie, sei ein Junge zu ihr gekommen, regelrecht hineingestürzt, und er wollte gar nichts kaufen, er habe wohl nur fliehen wollen und einen Menschen zum Reden gesucht. Und dann erzählte er ihr, dass seine Mutter Lehrerin war und auch zu den Opfern von Robert S. gehört. "Er konnte das nicht fassen, dass so was passiert ist," schildert Mai die Reaktion des Jungen und fährt fort: "Er sagte, er habe den Täter gekannt und der wäre ein ganz lieber Junge gewesen und er konnte sich das nicht vorstellen, dass der zu so was bereit war. Er hat das immer wieder gesagt und hatte Tränen in den Augen. Er hat mir richtig Leid getan."

Trauer in Erfurt
Gedenken an die Opfer vor dem DomBild: AP

Schrecklich sei die Tat, sagt Bärbel Mai, fügt aber auch hinzu, dass man viel mehr dazu auch nicht sagen könne – und kritisiert die Berichterstattung: "Aus meiner Sicht gibt es viel Rummel hier, es sind zu viele Journalisten da, es gibt keine Ruhe."

Blumenmeer vor dem Gutenberg-Gymnasium

Blumen, Kerzen und Briefe liegen auch vor dem Portal des Erfurter Rathauses. In der Eingangshalle tragen sich Besucher in die Kondolenzbücher ein. Hier, im Rathaus, werden die Schüler des Gutenberg-Gymnasiums noch immer betreut. In der nächsten Woche soll dann der Unterricht wieder beginnen – in einem anderen Gebäude. Wie allerdings die Abiturienten an ihr Abschlusszeugnis kommen, ob sie die Prüfungen wiederholen müssen, die für sie untrennbar mit den schrecklichen Ereignissen verbunden sind, darüber werden in den nächsten Tagen die Kultusminister der Bundesländer beraten.

Nach den Sommerferien soll die Gutenberg-Schule wieder aufmachen. Jetzt ist sie noch immer gesperrt, Polizeiwagen stehen auf dem Schulhof. Vor dem Eingang des imposanten Sandsteingebäudes liegt das größte Blumenmeer – hunderte von Sträußen und ständig werden neue dazu gelegt. Auch hier stehen die Besucher stumm vor den Beileidsbekundungen. Am schwersten zu ertragen sind die Briefe der Angehörigen der Opfer, die sich von ihrem Vater, ihrer Mutter, ihrem Ehemann oder ihrer Ehefrau verabschieden. "Danke für die schönen Jahre mit Dir – wir hatten noch so viel vor" steht da, und: "Lieber Vati, warum gerade Du?"