Gefährlicher Kohlestaub in Kolumbien
13. April 2014Sie fahren auch für Deutschland durch die Hitze - Eisenbahnwaggons mit kolumbianischer Kohle. Rund 300 Kilometer legen sie auf ihrem Weg von den großen Minen im Departement César bis zur Karibik-Küste zurück, von wo aus ihre Fracht weltweit verschifft wird. Von den mehr als hundert Waggons, die hier bisweilen im Viertelstundentakt über die Schwellen rattern, ist rechnerisch jeder zehnte für deutsche Kraftwerke bestimmt.
Doch nicht immer kommt der Rohstoff vollständig an den Verladehäfen an. Anfang des Monats etwa entgleisten Waggons der Firma Prodeco kurz nach Verlassen der Mine und verschmutzten den Fluss Paraluz. Dass dadurch die Transporte für einige Stunden unterbrochen wurden, dürfte Ciro Ortiz nicht gestört haben.
Der Bauer besitzt eine Plantage für tropische Früchte am Rand der Küstenstadt Cienaga im Departement Magdalena, in der auch die Kohlehäfen liegen. Keine 200 Meter hinter seinen Mango- und Limonenbäumen führt die Bahnstrecke entlang. Wenn die Transporte unterbrochen werden, sind das Stunden, in denen sich womöglich kein neuer Kohlestaub auf seine Pflanzen gelegt haben wird. Denn die Züge, die am Nachbargrundstück vorbeidonnern und nach Auskunft der staatlichen Eisenbahngesellschaft FENOCO täglich bis zu 160.000 Tonnen transportieren, sind niemals abgedeckt. Zwar ist die Kohle befeuchtet, um die Verluste beim Transport gering zu halten, doch das kann die Emission des Staubs nicht verhindern.
Kohleimporte verdoppelt
Schwarz ist die Handfläche von Ciro Ortiz, nachdem er über eines seiner Bananenblätter gewischt hat. Das ist auch der Farbton der Flecken auf den Schalen der Mangofrüchte. "Der Staub bedeckt die Blüten, die absterben oder viel kleinere Früchte austreiben, als normal wäre", sagt er. Wie zum Beweis zeigt er auf seine ausgereiften Limonen, die nicht viel größer sind als Murmeln.
Gewachsen ist dagegen der Schienenverkehr jenseits seiner Plantage. Das südamerikanische Land bricht heute mehr als doppelt so viel Kohle aus dem Boden wie noch vor fünfzehn Jahren. Mit 85 Millionen Tonnen im Jahr 2013 ist Kolumbien die siebtgrößte Kohlefördernation der Welt. Zehn Prozent davon gehen nach Deutschland. Die Kohleimporte haben sich nach Auskunft der deutschen Kohlewirtschaft in den letzten zehn Jahren auf mehr als acht Millionen Tonnen verdoppelt. Das hat Kolumbien nach Russland und den USA zum drittwichtigsten Kohlelieferanten Deutschlands gemacht. Gründe sind der wachsende Verbrauch und die schrumpfende Förderung im eigenen Land. So hat Deutschland im letzten Jahr nach Daten der Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen vier Prozent mehr Steinkohle verheizt als 2012. Der Rohstoff wird fast ausschließlich für die Stromerzeugung genutzt. 2013 wurde jede fünfte Kilowattstunde mit Steinkohle erzeugt - mehr als mit Wind, Wasser und Sonne zusammen.
Schwarzer Regen
Ciro Ortiz sind diese Zahlen egal. Er leidet wegen der Kohle nicht nur unter schlechten Ernten: "Vor vier Jahren sagten mir die Ärzte, meine Lunge sei total geschädigt und es gebe keine Heilung." Es sei nur Gott zu verdanken, dass er immer noch lebe. Selbst das Regenwasser, das durch Spalten in sein selbst gezimmertes Holzhaus eindringt, sei bisweilen schwarz, erzählt er. Er führt durch das kleine Badezimmer, dessen Wände dunkle Schatten bedecken: "Das ist pure Kohle."
Der Bauer von Cienaga ist kein Einzelfall. Das weiß Rafael Pacheco aus vielen persönlichen Gesprächen. Er ist verantwortlich für die ländliche Entwicklung bei der Diözese Santa Marta, der Hauptstadt Magdalenas. "Wir sind von der Kohle auf doppelte Weise betroffen: Zum einen sind da die Schienentransporte, die nicht nur Staub freisetzen, sondern auch Menschenleben kosten. Immer wieder kommt es an den Strecken zu tödlichen Unfällen, etwa von Kindern. Zum anderen sind da die Lagerhalden am Meer, von wo aus die Schiffe beladen werden." Der von der karibischen See landeinwärts wehende Seewind trägt Kohlestaub von den Halden bis tief ins Hinterland.
Fische verschwinden
Auch das Meer ist Gefahren ausgesetzt. "Die gesamte Küste ist betroffen. Es kommt vor, dass die multinationalen Konzerne bei der Verladung Kohle ins Meer schütten. Die Meeresumwelt wird dadurch massiv geschädigt. Seltene Tiere sterben aus", sagt Rafael Pacheco. In der Tat klagen Fischer aus der Bucht von Santa Marta über deutlich reduzierte Fanggründe. Einwohner von Santa Marta sprechen über Hunderte von toten Fischen und angespülte Kohleklumpen. Hintergrund war die bis Ende 2013 noch erlaubte Praxis, die Kohle zunächst auf Barkassen zu verladen, um sie dann auf offenem Meer auf die Tanker umzuladen. Dabei war es wiederholt zu Havarien gekommen, wobei "die multinationalen Konzerne Kohle auf dem Meeresgrund abluden", so Pacheco.
2013 tauchten Fotos eines solchen Unfalls des US-Kohlekonzerns Drummond im Internet auf. Das veranlasste die Regierung Kolumbiens, diese Verladepraxis ab dem 1. Januar 2014 zu verbieten: Die Kohle muss nun über Transportbänder direkt auf die Schiffe gebracht werden, die den Rohstoff auch über die Weltmeere fahren.
Die Gewinne der großen transnationalen Konzerne aus dem Geschäft mit der Kohle landen normalerweise bei ausländischen Aktionären: "Eine Kompensation für die Schäden, die die Firmen anrichten, gibt es nicht", sagt Pacheco. Zwar sind die Unternehmen verpflichtet, neben Steuern auch Finanzabgaben an die betroffenen Gemeinden - sogenannte regalías - zu leisten. "Doch diese werden schlecht verwaltet. Sie versickern bei den Politikern und kommen nicht bei den Bauern an."
Und die von den Kohlefirmen in den Regionen angestoßenen Sozial- und Kommunalprojekte, auf die etwa Prodeco auf Anfrage hinweist, helfen laut Pacheco nur wenigen Menschen. Bei Ciro Ortiz etwa seien die Einzigen, die von Seiten der Kohlekonzerne vorbeigeschaut hätten, nur die Wachtrupps der Kohletransporte gewesen. Aber nicht, um zu helfen, sondern um die Bauern vor Sabotage zu warnen.