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Das sechste Auge

Antje Passenheim, Washington21. November 2013

Die USA und vier Verbündete arbeiten eng bei der Spionage zusammen. Die sogenannten "Five Eyes" horchen sich angeblich auch nicht gegenseitig aus. Nun könnte Deutschland Mitglied des exklusiven Clubs werden.

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Ein iPhone, auf dem der Bundesadler zu sehen ist, Foto: Arno Burgi/dpa
Bild: picture-alliance/dpa

Erst gab die Kanzlerin den US-Geheimdiensten eins auf die Ohren. Jetzt geht es um Augenhöhe: "Five Eyes" nennen sich die fünf Freunde, die sich seit Jahrzehnten einen Nicht-Abhör-Pakt schwören. Mit den USA gehören Großbritannien, Kanada, Australien und Neuseeland zum Club der exklusiven Spione. Deutschland, meinen zwei US-Kongress-Abgeordnete, könnte nun das sechste Auge werden. Die Republikaner Tim Ryan und Charles Dent haben bereits einen Brief an Präsident Barack Obama geschrieben. "Wir fordern darin, dass der Präsident Verhandlungen anstößt, um Deutschland in das 'Five Eye'-Abkommen mit einzuschließen", erklärte Dent der DW.

Der Brief, der der DW vorliegt, ist auf den 6. November datiert. Geht Obama darauf ein, könne dies eine große Liebespille für das Verhältnis zwischen Berlin und Washington sein, meint der Angeordnete aus dem Bundesstaat Pennsylvania: "Es wäre unter dem Abkommen verboten, die Staatschefs der befreundeten Länder auszuspionieren. Und es beinhaltete noch andere Dinge, die vermutlich nicht öffentlich würden", so Dent. "Das könnte eine ohnehin starke Partnerschaft, wie wir sie mit Deutschland haben, noch ausbauen."

Mehr Transparenz

Auch in den Reihen der Demokraten kommt die Idee gut an. "Ich denke, das wäre förderlich", meint etwa der Abgeordnete William Keating. Er ist überzeugt, dass das Weiße Haus bereits auf Hochdruck auf ein Abkommen arbeitet, dass die NSA-Verstimmung in Berlin beseitigt. "Ich denke, dass sie gerade an Richtlinien für eine transparente Geheimdienst-Politik arbeiten, die auch unsere Sicherheitsinteressen berücksichtigt. Und ich glaube, das kann gelingen", so der Abgeordnete aus dem Staat Massachusetts.

Keatings Ansicht nach müsste diese Diskussion aber nicht allein in den USA geführt werden. Nur weil ein Staat über bestimmte Technologien verfüge, müsse er diese nicht einsetzen, wenn das nicht unbedingt nötig sei. "Ich denke, es wäre hilfreich, diesen Vorstoß gemeinsam mit anderen Staaten zu machen. Wir wüssten dann auch, welche Länder sich derselben Politik verschrieben."

Ganz so einfach, wie es zunächst aussieht, wäre so ein erweitertes Spionageabkommen allerdings nicht, warnt Fred Fleitz, langjähriger CIA-Mitarbeiter und Ex-Mitglied des Geheimdienstausschusses im US-Abgeordnetenhaus. "Was mir bei einem solchen Abkommen Sorgen macht, ist, dass wir Deutschland ein Angebot machen würden, das wir anderen Ländern in Europa nicht machen können."

Fred Fleitz Ex-Mitglied des Geheimdienstausschusses im US-Abgeordnetenhaus
Fred FleitzBild: privat

Das sechste Auge?

Das Abhören von Angela Merkels Handy, sofern es denn stimme, sei ein großer Fehler gewesen. Die Kanzlerin sei schließlich eine enge Verbündete der Vereinigten Staaten. Er verstehe nicht, was es da abzuhören gebe, zumal sich die Zeiten geändert hätten, seit Deutschland an der Seite Frankreichs und Russlands den Irak-Krieg boykottiert hätte, so Fleitz gegenüber der DW.

Es gebe aber auch anders gelagerte Fälle. Situationen etwa, in denen Deutschland und die USA Regierungsmitglieder eines anderen Landes aus Gründen der nationalen Sicherheit ausspionieren müssten."Was wäre etwa, wenn die rechtsradikale Goldene Morgendämmerung in Griechenland über eine Koalition die Kontrolle im griechischen Parlament übernehmen würde?", fragt Fleitz, der auch im US-Außenministerum gearbeitet hat. "Das könnte die EU zerstören, den Euro oder die nationalen Finanzen Griechenlands. In dieser Situation würden Deutschland und die USA doch den neuen Premierminister mit gutem Grund ausspionieren." Solche Möglichkeiten dürften nicht ausgeschlossen werden.

Würde Deutschland das sechste Auge im Geheimbund, wäre es das erste aus dem nicht-englischsprachigen Raum. Das wiederum könnte Spannungen innerhalb der EU schüren, wo Großbritannien bislang das einzige Clubmitglied ist. Einige Länder wie Frankreich, meint Fleitz, wären sicherlich ebenso geeignete Kandidaten für eine Mitgliedschaft wie die Bundesrepublik. Andere nicht. "Wie könnten wir etwa Bulgarien oder Rumänien aufnehmen?" Fleitz betont: "Ich mag diese Staaten. Doch ihr demokratisches System ist noch im Aufbau. Ihre Regierungen sind teils erst seit wenigen Jahren an der Macht."

Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach einer Pressekonferenz Foto: robertmichaelphoto.de/
Willkommen im Club?Bild: imago/Robert Michael

Dass ein wie auch immer geartetes Spionage-Abkommen mit Deutschland tatsächlich bis zum Jahresende steht, bezweifeln Politiker wie Geheimdienstexperten. Doch der Druck aus dem Abgeordnetenhaus auf Präsident Obama wächst. Der Vorschlag für die Five Eyes liegt bei ihm auf dem Tisch. Ryan und Dent warten noch auf seine Antwort.