1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Geldwäscheparadies

Wolfgang Dick30. Oktober 2012

Die organisierte Kriminalität wäscht immer mehr illegal erworbenes Geld in Deutschland. Das zeigen die neuesten Zahlen des Bundeskriminalamts. Doch die Bekämpfung bleibt schwierig, die Fahnder sind oft hilflos.

https://p.dw.com/p/16Z3p
Eine Hand reicht Geld an. Foto: © granata68 #28961772
Symbolbild SchmiergeldBild: Fotolia/granata68

Knapp 13.000 Anzeigen wegen des Verdachts auf Geldwäsche gingen im vergangenen Jahr bei den Behörden ein. In der Hälfte der Fälle stellte sich heraus, dass der Verdacht begründet war. Das ist ein neuer Höchststand seit 1993. Damals trat das Geldwäschegesetz in Kraft. Es verpflichtet zum Beispiel Banken, Meldung an die Bundesanstalt für Finanzaufsicht zu machen, wenn auf bisher unauffälligen Konten plötzlich hohe Summen bewegt werden.

Aufgefallen sind nach dem am Montag (29.10.2012) vorgelegten Bericht des Bundeskriminalamtes besonders Zahlungen aus Italien, Russland, der Ukraine und Weißrussland. Der Bericht enthüllt auch, dass neben Immobilienhändlern, Restaurantbesitzern und Spielhallenbetreibern verstärkt Privatpersonen ihre Konten für Geldwäsche bereit gestellt haben.

Undurchschaubare Geldströme

An einem Wäscheständer hängen mit Klammern befestigt mehrere 500-Euro-Scheine. Foto: Patrick Pleul dpa/lbn
Geldwäsche sorgt jährlich für einen MilliardenschadenBild: Picture-alliance/dpa

"Die Verhältnisse in Deutschland begünstigen leider immer noch Geldwäsche", erklärt Gerhard Schick, der sich als Abgeordneter der Grünen im Bundestag und als Mitglied im Finanzausschuss mit dem Thema beschäftigt. "Es gibt noch zu wenig Bewusstsein, welche Dimensionen das Ganze angenommen hat", erklärt Schick im Interview mit der Deutschen Welle.

"Viele Handels- und Warengeschäfte werden immer undurchschaubarer", muss auch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, zugeben. Die Kontrollen sollen daher weiter verstärkt werden. Das sei auch notwendig, meinen Fachleute der Organisation für Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und der Europäischen Kommission in Brüssel. Beide Institutionen werfen Deutschland schon seit langem vor, zu wenig gegen die Geldwäsche zu tun.

Kritik aus Brüssel

Auf 50 bis 60 Milliarden Euro schätzt der Bund deutscher Kriminalbeamter die Summe, die jedes Jahr in Deutschland aus Erpressungen, Drogen oder Waffengeschäften in legale Geschäfte geleitet wird. Nicht einmal ein Prozent dieser Beträge können die Ermittlungsbehörden sicherstellen, beklagt der Berufsverband der Kriminalpolizei. Im Bankensektor sei die Strafverfolgung noch zu gewährleisten, aber in vielen anderen Branchen müsste eine staatliche Überwachung und Kontrolle eingeführt werden. Das sei aber wohl politisch nicht wirklich gewollt, meint der Kriminalist Sebastian Fiedler.

Die EU-Kommission hat wegen des zögerlichen Verhaltens der Bundesregierung bereits ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Das Hauptargument: Nicht verfolgte Geldwäsche ermögliche auch unkontrollierte Terrorismusfinanzierung. Tatsächlich ermitteln nach den Zahlen der Financial Action Task Force (FATF) der OECD andere Länder schärfer und verzeichnen eine vier- bis zwanzigfach höhere Aufdeckung von Straftaten.

Personalmangel bei den Ermittlern

Der Finanzausschuss des Bundestages beschäftigte sich daraufhin verstärkt mit dem Thema Geldwäsche. Einige Bestimmungen im Gesetz wurden nachgebessert. "Es fehlt dennoch an einer zentralen Abwehrstrategie für Geldwäsche", beklagt der Abgeordnete Gerhard Schick. Vor allem gebe es zu wenig Fachpersonal bei den Ermittlern. "Das ist ein echtes Problem."

Ein wichtiger und guter Schritt sei daher die Gründung einer Spezialistengruppe beim Bundeskriminalamt gewesen. Die dort angesiedelte Financial Intelligence Unit (FIU) habe in letzter Zeit viele neue Betrugspraktiken aufdecken können. Experten beklagen jedoch, dass Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern zu Verzögerungen und Reibungsverlusten führten.

Immer neue Tricks

Nach Einschätzung der Ermittler lassen sich die Täter immer raffiniertere Methoden einfallen. Zum Beispiel manipulieren sie Geldspielautomaten so, dass sie weniger Gewinn ausweisen. Oder sie bieten verbotene Glücksspiele im Internet an. Geschätzter Umsatz: 120 Millionen Euro im Jahr. Eine besonders trickreiche Variante der Geldwäsche sei es auch, Schwarzgelder über ein Insolvenzverfahren zu legalisieren. Zunehmend werden nicht mehr Wirtschaftsgüter, sondern auch schwer kontrollierbare Dienstleistungen zwischen Firmengeflechten ausgetauscht. Auch der Handel von CO2-Emissionszertifikaten werde mittlerweile zur Geldwäsche genutzt.

Polizeibeamte tragen Aktenkisten an einen Transporter. Foto: Henning Kaiser dpa/lnw
Ermittlungen gestalten sich oft schwierigBild: picture-alliance/dpa

Ein weiteres Problem: Kriminell erlangtes Vermögen wird einfach auf unbeteiligte Dritte übertragen. So wird verhindert, dass es von staatlichen Stellen beschlagnahmt werden kann. Im Jahr 2010 gelang die Abschöpfung illegaler Gelder in gerade einmal 150 Fällen - bei über 600 Ermittlungsverfahren. Geldströme sind in Deutschland offenbar gut zu verschleiern. Nach einer Studie des "Netzwerks Steuergerechtigkeit" unter siebzig Staaten soll Deutschland eines der größten Schattenfinanzzentren sein - mit schlimmeren Zuständen als in der Schweiz, auf den Kaimaninseln, in Luxemburg oder Jersey.