Gemeinsame Geheimsache
16. Dezember 2004Bis zu zehn Jahre Haft hat das Gericht gegen die Angeklagten der sogenannten "Frankfurter Zelle" verhängt. Die aus Algerien und Tunesien stammenden Terroristen wollten einen zum Sprengsatz umgebauten Schnellkochtopf explodieren lassen und hätten damit tausende Menschen gefährdet. Dass es nicht soweit kam, ist eine der Erfolgsgeschichten deutscher Geheimdienstarbeit.
Damals, Ende 2000, arbeiteten die Ermittler verschiedener Behörden erfolgreich zusammen. Über die "Frankfurter Zelle", eine überwiegend aus Algeriern bestehende Terroristengruppe, hatten verschiedene deutsche Sicherheitsbehörden Erkenntnisse. Trotzdem hätte keine von ihnen den Anschlag alleine verhindern können.
Wer weiß was - wer darf was ?
Lange im Vorfeld der Festnahmen hatte der deutsche Auslandsgeheimdienst (BND) über Verbindungsmänner Informationen über die Zugehörigkeit einiger Männer zum Terror-Netzwerk eines gewissen Slimane Khalfaoi erfahren. Wie in diesem Fall sammelt der BND seine Erkenntnisse auch sonst vor allem in Afghanistan und im arabischen Raum. Dorthin hat er seit Jahrzehnten sehr gute Verbindungen.
Die Informationen über die Frankfurter Täter wurden an den Inlandsgeheimdienst (Verfassungsschutz) weitergeleitet, als einige der Terroristen von Afghanistan nach Deutschland zurückkehrten, wo sie an einem Ausbildungslager teilgenommen haben sollen. Der Verfassungsschutz startete im Sinne der inneren Sicherheit den Lauschangriff gegen die sich in Frankfurt bildende Islamisten-Zelle. Als schließlich Gefahr im Verzug war und das Attentat von Straßburg bevorstand, schalteten die Geheimdienste das Bundeskriminalamt (BKA) ein. Das BKA verhaftete die Terroristen. Weder BND noch Verfassungsschutz hätten das gedurft.
Kooperation oder Zentralisierung
Auch die Festnahmen während des Besuchs des irakischen Ministerpräsidenten Allawi im Dezember 2004 sind das Resultat von Zusammenarbeit. Fahnder von Polizei-Sondereinheiten und Landeskriminalämtern hatten Telefonate abgehört und Personen observiert. Auf die Spur hatte sie der Verfassungsschutz gebracht. Über die Pläne der Organisation Ansar-al-Islam, Allawi in Berlin zu töten, hatten die Ermittler laut Bayerns Innenminister Beckstein (CSU) jedoch keine Hinweise vom BND oder dem US-Auslandsgeheimdienst CIA.
Das bezweifelt der Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom: Er weiß, dass der BND das BKA seit Jahren mit Informationen über Ansar-al-Islam versorgt hat. "Ich denke, dass Beckstein hier bewusst Wissen unterschlägt. Er sollte besser darüber informiert sein, was auf der Bundesebene zwischen Nachrichtendiensten und Polizei ausgetauscht wird." Beckstein ist gegen die Zentralisierung der Ermittlungsbehörden, wie sie Otto Schily (SPD) fordert.
Der Bundesinnenminister will diese unter anderem dadurch erreichen, dass das BKA mehr Befugnisse erhält. Niemand könne erklären, "warum das BKA nach einer Tat eingreifen kann, aber nicht vorher, um die Tat zu verhindern", sagte Schily anlässlich der Eröffnung eines neuen zentralen Lagezentrums in Berlin.
Anti-Terror-Zentrale vs. Trennungsgebot
Mit dem am Dienstag (14.12.2004) eröffneten Terrorismus-Abwehrzentrum in Berlin hat Schily den Versuch unternommen, die Kräfte zu bündeln. In der Einrichtung werden Spezialkräfte aller Ermittlungsbehörden ihre Informationen austauschen und aktuelle Lage-Analysen erstellen. Ein zentrales Hindernis für die Zusammenarbeit kann aber auch mit dieser neuen Behörde nicht überwunden werden: Das Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei. Wegen der NS-Vergangenheit Deutschlands dürfen sie ihre Informationen nicht vereinen.
Erich Schmidt-Eenboom warnt genau deswegen auch vor Schilys weiteren Plänen, "das BKA darf nicht 'schleichend' zum Geheimdienst werden, ohne dass es unter die Geheimdienstkontrolle des Bundestages fällt." Schily wolle es zu einer halb-nachrichtendienstlichen Organisation ähnlich dem amerikanischen FBI machen, vermutet der Geheimdienstexperte.
Dilemma Kompetenzteilung
Der Informationsaustausch zwischen den deutschen Ermittlungsbehörden und -diensten birgt Probleme. Die Anwälte der Frankfurter Islamisten behaupten, ihre Mandanten wollten den Sprengsatz in einer Synagoge explodieren lassen, was deutlich weniger Menschen gefährdet hätte. Es gebe kaum Beweise für das Weihnachtsmarkt-Szenario. Richtern fällt es in solchen Fällen schwer zu überprüfen, wie wahr und vollständig die vorgelegten Geheimdienst-Informationen sind.
Vor allem der BND hat oft kein Interesse daran, dass stichhaltige Beweise und somit brisantes Wissen in Verfahren ausgebreitet werden. Genau dies sollte aber der zukünftige Weg sein, findet Schmidt-Eenboom. "Es gibt nur reine Lösungen. Wenn Nachrichtendienste Informationen beisteuern, dann müssen sie auch vor Gericht die gesamte Beweislast beisteuern." Insgesamt benötigt Deutschland nach Meinung des Geheimdienst-Experten eine "feste Zusammenarbeit" der vorhandenen, durchaus erfolgreichen Instanzen.