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EuGH-Anwältin: Abschalt-Einrichtung unzulässig

30. April 2020

Es geht um die Technik, die die Abgasreinigung bei Kfz mit Dieselmotor verringert - das große Skandalthema. Eleanor Sharpston fährt in ihrem Gutachten schweres Geschütz gegen VW und andere Autokonzerne auf.

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Kampfgeist unter altbacken wirkender Amtsperücke: die Generalanwältin des Europäischen Gerichtshofs, Eleanor Sharpston (Foto: Picture-Alliance/Photoshot)
Kampfgeist unter altbacken wirkender Amtsperücke: EuGH-Generalanwältin Eleanor SharpstonBild: Picture-Alliance/Photoshot

Im Streit um Abschalteinrichtungen bei Dieselautos zeichnet sich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine enge Auslegung von Ausnahmeregelungen ab. EuGH-Generalanwältin Eleanor Sharpston erklärte solche Techniken bei der Abgasreinigung in ihrem Schlussplädoyer für unzulässig. Diese könnten ausnahmsweise nur genehmigt werden, wenn "die Einrichtung notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten".

In ihrem Gutachten erklärte Sharpston, es sei Sache der nationalen Gerichte, im Einzelnen festzustellen, ob die fragliche Vorrichtung unter diese Ausnahme falle. Das Ziel, den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verzögern, rechtfertige ihrer Ansicht nach nicht den Einsatz einer Abschalteinrichtung. Für ein Urteil braucht das Gericht in der Regel einige Monate. Meist folgen die Luxemburger Richter dem Gutachten der Generalanwaltschaft.

Abgas-Software-Update bei einem VW Golf in einer Werkstatt im Raum Hannover (Foto: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte)
Abgas-Software-Update bei einem VW Golf in einer Werkstatt im Raum HannoverBild: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte

Volkswagen demonstrativ gelassen

Volkswagen erklärte, die rechtliche Bewertung der "Umschaltlogik" durch die EuGH-Anwältin habe für die juristische Aufarbeitung der Dieselthematik keinerlei Konsequenzen. "Diese Frage spielt in den laufenden Verfahren keine Rolle mehr." Aus dem Gutachten Sharpstons erwachse kein neues Klagerisiko. Dagegen rechnen Verbraucheranwälte mit einer Klagewelle. Ihrer Ansicht nach stuft die EuGH-Anwältin auch sogenannte "Thermofenster" als illegal ein, eine weit verbreitete Art der Abschalteinrichtung.

"Dadurch nimmt der Dieselskandal komplett neue Ausmaße an", erklärte Rechtsanwalt Claus Goldenstein von der auf Dieselklagen spezialisierten Kanzlei Goldenstein & Partner. Allein in Deutschland seien mehrere Millionen Fahrzeuge mit "Thermofenstern" oder anderen Abschalteinrichtungen zugelassen. "Der gesamten Automobilindustrie drohen nun Rückrufs- und -Klagewellen sowie Strafen in Milliardenhöhe", sagte Goldenstein.

Ausgangspunkt des Verfahrens beim EuGH ist eine Klage aus Frankreich, bei der es um den im Abgasskandal von Volkswagen bekannt gewordenen Dieselmotor EA 189 geht. Ein französischer Ermittlungsrichter will durch den EuGH klären lassen, wann eine nach EU-Recht verbotene Abschalteinrichtung vorliegt und in welchen Fällen Ausnahmen zulässig sind. Während der Dieselskandal von Volkswagen juristisch als weitgehend geklärt gilt, steht für die Automobilindustrie die Frage nach den Ausnahmen im Zentrum. Als solche werden "Thermofenster" verstanden, die nach Darstellung der Autobauer dem Schutz der Motoren in bestimmten Nutzungssituationen dienen.

Blick auf den vom Abgas-Skandal betroffenen VW-Dieselmotor vom Typ EA 189  (Foto: picture-alliance/dpa/J. Stratenschulte)
Blick auf den vom Abgas-Skandal betroffenen VW-Dieselmotor vom Typ EA 189 Bild: Julian Stratenschulte/dpa/picture alliance

30 Milliarden Euro Wiedergutmachung 

Experten des deutschen Kraftfahrt-Bundesamtes und der nach dem VW-Dieselskandal eingesetzten Untersuchungskommission waren zu dem Schluss gekommen, dass die gesetzlich mögliche Ausnahme von der Abgasreinigung von allen deutschen Herstellern exzessiv genutzt wird. Mit dem "Thermofenster" kann die Abgasreinigung bei kühlen Temperaturen gedrosselt werden. Volkswagen hatte vor fast fünf Jahren zugegeben, millionenfach bei Dieselautos eine Software eingebaut zu haben, die dafür sorgt, dass die Wagen die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einhalten. Auf der Straße stoßen sie hingegen ein Vielfaches mehr giftiges Stickoxid aus. Die Wiedergutmachung des Abgasskandals hat Volkswagen bisher mehr als 30 Milliarden Euro gekostet.

VW erklärte unterdessen, in Deutschland habe man sich im Rahmen des mit Verbraucherschützern ausgehandelten Vergleichs mit weiteren geschädigten Dieselkunden geeinigt und komme nun auf rund 90 Prozent Zustimmung. Kurz vor Ablauf der verlängerten Registrierungsfrist seien 235.000 Vergleiche positiv geprüft worden. An diese Kunden werde nun eine Gesamtsumme von rund 750 Millionen Euro überwiesen.

sti/kle (afp, dpa, rtr)