Genetisch veränderte Zwillinge geboren
26. November 2018"Zwei wunderschöne kleine chinesische Mädchen namens Lulu und Nana kamen vor einigen Wochen weinend und so gesund wie jedes andere Baby zur Welt", sagte der Forscher He Jiankui in einem auf Youtube verbreiteten Video.
Demnach hatte der an Embryonen vorgenommene Eingriff mit dem noch sehr jungen Verfahren Crispr/Cas9 das Ziel, die Kinder resistent gegen HIV zu machen. Eine geprüfte wissenschaftliche Veröffentlichung zu den Eingriffen gibt es noch nicht, sondern lediglich einen Eintrag in einem chinesischen Register für klinische Tests. Der Forscher soll für sein Vorhaben angeblich mehrere chinesische Paare gewonnen haben, bei denen der Mann jeweils HIV hat. Über künstliche Befruchtung wurden Embryos erzeugt. Deren Erbgut veränderte der Forscher.
"Unverantwortliche Menschenversuche"
Die Kritik an dem Vorgehen der chinesischen Mediziner kam prompt. "Bei den Experimenten handelt es sich um unverantwortliche Menschenversuche", erklärte Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats, zu der Verkündung. "Ob es stimmt oder nicht, was der chinesische Forscher He behauptet: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind solche Versuche und auch Ankündigungen aufs Schärfste zu kritisieren."
Laut nahezu einhelliger Einschätzung sei die Grundlagenforschung noch weit entfernt vom Einsatz beim Menschen. "Die Neben- und Spätfolgen sind noch unabsehbar und schwer zu kontrollieren." Eingriffe in die Keimbahn des Menschen beträfen nicht nur einen Einzelnen, sondern potenziell alle seine Nachkommen.
"Sollte es sich bewahrheiten, dass mit Hilfe der Genschere CRISPR ein genmanipuliertes Baby erzeugt worden ist, wäre dies für die Wissenschaft ein Super-GAU", erklärte Dabrock. "Dass ausgerechnet am Tag vor dem weltweiten Wissenschaftsgipfel in Hongkong, der über den verantwortlichen Umgang mit genome editing beim Menschen berät, ein solches Experiment bekannt wird, kann ja fast nur als Affront gegenüber dem Ansinnen verantwortlicher Wissenschaft gewertet werden."
Dabrock forderte, dass die Politik sich auf globaler Ebene des Themas so schnell wie möglich annehmen müsse. "Angesichts der in China zu Tage getretenen Ansinnen muss man darüber nachdenken, eine Überwachungsbehörde analog zur Internationalen Atomenergie-Organisation zu schaffen."
"Klare Grenzen"
Auch Jennifer Doudna, eine der Entwicklerinnen der Genschere Crispr/Cas9, hat die Erzeugung von genmanipulierten Babys in China kritisiert. "Wenn sich das bestätigt, stellt diese Arbeit einen Bruch mit dem zurückhaltenden und transparenten Vorgehen der globalen Wissenschaftsgemeinde bei der Anwendung von Crispr/Cas9 zum Editieren der menschlichen Keimbahn dar", sagte Doudna in Hongkong. Es sei dringend erforderlich, der Genmanipulation bei Embryos klare Grenzen zu setzen. Sie dürfe nur dort zum Einsatz kommen, wo eine deutliche medizinische Notwendigkeit bestehe und keine andere Behandlungsmethode existiere.
cgn/sti (afp, dpa)