Georg Baselitz will Konventionen brechen
23. Januar 2018Gefällt Ihnen der Rummel zu Ihrem 80. Geburtstag?
Das ist nicht richtig zu beantworten, weil meine Situation sonst ist ja viel ruhiger. Ich muss niemandem Auskunft geben über das, was ich mache, niemand fragt mich irgendwas. Ich bin mein eigener Chef. Jetzt gibt es den Versuch der Korrespondenz, und das ist anstrengend für mich.
Bei Ihrem Alterswerk hat man hat das Gefühl, Sie würden durch den Nebel schauen. Stimmt das?
Ich trage keine Kontaktlinsen und keine Brille, die brauche ich nur zum Lesen. Beim Malen brauche ich das nicht. Ich benutze als Maler den Schleier-Trick, den Damen sonst benutzen. Der zeigt einiges von dem, was gezeigt werden müsste, aber nur einiges. Nicht alles.
Ihre jüngsten Arbeiten sind von 2017. Was treibt Sie an, weiter zu malen?
Es gibt eine Menge Wiederholung von Modellen, die sich anders darstellen. Ich sag' mal, meine Frau ist geblieben, ich bin geblieben, einige Sachen sind geblieben, aber die Darstellung dieser Dinge ist doch sehr anders, variabel. Sie haben sich sehr verändert. Nicht nur physisch, sondern eben auch gestalterisch. Und das war eigentlich immer das Wichtigste in meiner Arbeit, dass ich weiterkomme in meinem Kopf, mit dem, was ich mal angefangen habe. Langeweile kommt dabei nicht auf. Langeweile kommt nur auf, wenn ich nichts mache.
Das heißt, Sie haben noch viel vor sich, was Sie malen wollen.
Ich habe ein riesiges Programm vor mir. Das ist doch schön.
Wie finden Sie rückblickend Ihre Idee, Dinge auf dem Kopf zu malen?
Ich finde die Idee großartig und würde mir das gar nicht mehr zutrauen, dass diese Idee von mir kommt. Aber sie kam ja in einer Zeit, in der ich völlig unbemerkt war. Ich wurde ja gar nicht registriert. Ich wurde gar nicht wahrgenommen. Meine Kollegen, mit denen ich in Konkurrenz stand, haben gesagt: Das ist ein Trick, ein Gag. Das war es sicher auch, aber es ist darüber hinaus doch sehr viel mehr. Ich habe sehr viele Begründungen dafür abgegeben, schriftlich und mündlich. Aber ich denke, sie sind nirgendwo angekommen. Das Ganze ist als Personalstil hängengeblieben.
Wie würden Sie die Idee in wenigen Worten beschreiben?
Sie widersprechen dem, was der Lehrer sagt. Damit ist alles gesagt. Der Lehrer gibt die Richtung an und sagt, wo oben und unten, rechts und links ist, dass ein Baum Wurzeln hat, die in der Erde stecken. Er beschreibt eigentlich nur das, was wir ohnehin wahrnehmen. Aber er beschreibt nicht das Bild davon. Das kann er nicht. Es gibt eine Tradition des Bildes in der Beschreibung des Lehrers und damit ist man konform. Das ist fixiert worden, eine Konvention geworden. Ich fand immer gut, wenn man Konventionen widerspricht. Erst mal muss man sie aufspüren. Wo ist sie? Wo engt sie dich ein? Wenn Sie sie aufgespürt haben, ist es eigentlich ein Leichtes, etwas dagegen zu tun.
Wie gelingt es, ein Nonkonformist zu bleiben?
Das ist eigentlich ganz leicht. Am Anfang ist es ein psychisches Bedürfnis, dem, was die Eltern sagen, zu widersprechen. Irgendwann mit 18 oder 20 werden Sie aus dem Haus geworfen oder gehen freiwillig, und dann müssen Sie zurechtkommen und es werden Ihnen viele Knüppel zwischen die Beine geschmissen. Egal, was Sie machen. Sie müssen dazu nicht Maler sein. Normalerweise werden Sie dressiert als erwachsener Mensch. Das muss nicht weiter schlimm sein. Aber es ist einfach so, dass diese Dressur Ihre Existenz sichert. Als Maler dürfen Sie nichts dergleichen tun. Auch die nicht-sichere Existenz ist damit aufs Spiel gesetzt. Und ich erkenne keinen anderen Erfolg bei Künstlern, außer Nonkonformismus. Und das betrifft natürlich im Wesentlichen nicht das schlichte Bild, ob die Zypresse so stimmt oder nicht, sondern das betrifft die Forderung, die die gute Gesellschaft, die wohlwollende Gesellschaft oft an Sie stellt. Da müssen Sie sehr skeptisch sein.
Inwiefern sind Sie heute noch Nonkonformist?
Weil ich meistens widerspreche. Mir fällt etwas auf und das finde ich unbehaglich - und ich sehe das meist bei der Kunst. Warum ist die Kunst so schlecht? Warum ist sie so schläfrig, so belanglos? Ja, weil sie konformistisch ist. Jeder stellt sich gerne dar. Jeder bekommt gerne Applaus, aber dieser Applaus verebbt ganz schnell, und die Bilder landen auf dem Müllhaufen, wenn sie eben konformistisch sind.
Das Gespräch führte Claudia Würzburg.