Georgien hat ausgeträumt
18. Dezember 2004Die georgische "Rosenrevolution" war eine Erfolgsstory. Als Michail Saakaschwili gemeinsam mit Anhängern der Opposition am 22. November 2003 das Parlamentsgebäude in der Hauptstadt Tiflis stürmte, hielt er eine Rose in der Hand - keine Waffe. Der Präsident der Kaukasus-Republik, Eduard Schewardnadse, erklärte tags darauf seinen Rücktritt. Die Präsidentenwahl im Januar 2004 gewann Saakaschwili mit einem Stimmenanteil von knapp 96 Prozent.
Vorbild für "orangene Revolution"
Wie die "orangene Revolution" nach der Präsidentenwahl in der Ukraine war auch die friedliche "Revolution der Rosen" in der Kaukasus-Republik Georgien ein Protest der Opposition gegen Wahlfälschungen. Die georgischen Rosenrevolutionäre sind für die ukrainische Opposition ein leuchtendes Vorbild, weil sie geschafft haben, wofür die Ukrainer noch kämpfen müssen: Saakaschwilis Anhänger haben die Politiker rausgeworfen, die sie betrogen haben, und diejenigen gewählt, von denen sie sich mehr Demokratie versprachen.
Verfassungsänderung stärkte Saakaschwilis Position
Doch heute, rund ein Jahr später, hat sich die Euphorie gelegt. Das anfängliche Vertrauen der Georgier in ihren neuen Präsidenten ist stark geschwunden, und dafür hat Michail Saakaschwili zum großen Teil selbst gesorgt. Bereits im Februar 2004 schränkte er durch eine Verfassungsänderung die Befugnisse des Parlamentes ein und stärkte seine eigene Position. Der Präsident darf jetzt das vom Volk gewählte Gremium auflösen, sollte dieses seinen Haushaltsplänen oder seinen Kabinettsvorschlägen widersprechen. Er kann Misstrauensvoten übergehen und eine Regierung einsetzten, die nicht vom Parlament abgesegnet ist. "Das Streben nach mehr Macht und die Verfassungsänderung waren ein deutlicher Ausdruck einer neuen Politik. Das heißt, ein weiterer Schritt zu einem autoritären Regime", sagt der Oppositionspolitiker Koba Davitaschvili.
Pressefreiheit steht zur Disposition
Nutzte Saakaschwili bei der "Rosenrevolution" noch die Presse, um Schewardnadse an den Pranger zu stellen, laufen die georgischen Medien jetzt Gefahr, zum Sprachrohr der Regierung zu werden. Ein zusätzlicher Schritt weg von der Demokratie sind die jüngsten Einschränkungen der Pressefreiheit, die Ana Dolidse, Vorsitzende einer gesellschaftlich engagierten Gruppe von jungen Anwälten, beklagt.
Die geplante Änderung des Presse-Gesetzes könnte diese Tendenz noch verstärken. So soll das für die Vergabe von Lizenzen für kommerzielle Medien verantwortliche Gremium vom Präsidenten und Parlament besetzt werden. "Diese Methode wäre für die Regierung ein gutes Instrument, die Medien zu kontrollieren", sagt Dolidse. Journalisten, die unter Schewardnadse absolute Freiheit besaßen, berichten von Zensur. Wer zu unbequeme Fragen stelle, laufe Gefahr, die Akkreditierung zu verlieren, betonen Medienvertreter.