Gerangel am Weinberg
27. August 2005Der Skandal der mit Frostschutzmittel gepanschten Weine ist inzwischen Vergangenheit, heute erfreuen sich deutsche Winzer und ihre Wein weltweiter Anerkennung. Der Weinverbrauch pro Kopf in Deutschland steigt - wenn er auch mit 20 Litern noch weit entfernt ist von Frankreich oder Italien, wo er bei 60 Litern liegt. Zusätzliche Anerkennung gibt es auch dadurch, dass Deutschland und die Forschungsanstalt Geisenheim mit der Veranstaltung des XIV. Internationalen Weinbau-Symposiums (23. bis 27.8.2005) betraut worden ist. Dieses Symposien hat die GESCO, (Groupe d'Etude des Systèmes de Conduite de la vigne) eine Arbeitsgruppe aus - natürlich - Frankreich begründet. Schon seit einigen Jahren bietet das Symposium Gelegenheit, Fachleute aus der ganzen Welt zu treffen.
Geld verdienen und Marktposition verteidigen
Dieses Jahr haben sich auch die bittersten Konkurrenten der Europäer auf dem Weinmarkt der Veranstaltung angeschlossen - die Experten aus den USA waren bereit, ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit anderen zu teilen. Wissenschaft kennt keine Grenzen - so sollte es theoretisch sein. Allerdings geht es oft um wichtige technologische Verfahren, mit denen Geld zu verdienen oder der Marktstatus zu verteidigen ist.
Die Experten diskutierten über Phenole und Tannine und letztlich über die alles entscheidende Frage, wie der Wein schmecken wird: beerig oder fruchtig, erdig oder nichts sagend. Denn davon hängt auch ab, ob ein Wein zur Spitzengruppe der oberen drei Prozent gehören wird, die zu einem Preis von mehr als sechs Euro verkauft werden können.
Winzer gehen in Konkurs
Im günstigeren Preissegment herrscht ein heftiges Gedränge: Hersteller aus der ganzen Welt machen sich hier Konkurrenz, kleine Winzer und Giganten wie die amerikanischen "Constellation Brands" oder "Foster's" aus Australien. Im schlimmsten Fall kann die Konkurrenz dazu führen, dass Winzer in Konkurs gehen.
Kein Weinbaugebiet bleibt von Pleiten verschont, sagt der Vorsitzende der Weinarbeitsgruppe GESCO, Alain Carbonneau: "In Frankreich, aber auch in vielen anderen Länder, sogar in Chile kommt das vor. Einige Winzer gehen Pleite und ziehen sich aus dem Geschäft zurück. Aber wir haben festgestellt - es gibt Lösungen, und die sind überwiegend technischer Natur. Auch im Süden von Frankreich können wir guten Merlot zum gleichen Preis wie in Australien herstellen - oder noch günstiger. Wir können in den internationalen Wettbewerb eintreten, aber wir müssen Winzer von neuen und interessanten Lösungen überzeugen."
Mit Maschinen in den Weinberg
Der Vergleich mit Australien ist bedeutungsvoll: Auf diesem Kontinent haben die Hersteller vor rund 30 Jahren noch mit ganz anderen Problemen gekämpft als die Winzer in Europa. Australier haben viel Land, wenig Regen - und es gab einen Mangel an Fachkräften für den Weinanbau. Deswegen setzten die Australier verstärkt Maschinen auf ihren Weinbergen ein - für viele Europäer ist das noch heute ein Sakrileg. Zudem entwickelten sie neue Ansätze, wie die Rebstöcke geschnitten, beschützt, bearbeitet und bewässert werden.
Weniger Stunden pro Hektar Weinberg
Das Ergebnis ist - für Winzer in Europa - fast unglaublich: In Australien rechnet man mit 50 Arbeitstunden pro Hektar Weinberg im Jahr - inklusive Weinlese. In Deutschland braucht man mehr als 800, in einigen steilen Hanglagen sogar mehr als 3000 Stunden im Jahr. Professor Schultz in Geisenheim probiert das australische Verfahren bereits aus - in der Hoffnung, Wein günstiger produzieren zu können und international konkurrenzfähiger zu werden.