Gerangel um die festen Plätze
18. Juli 2004Die Verteilung der festen Sitze im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) stammt noch aus der Zeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg: Die damaligen Siegermächte USA, Großbritannien, Frankreich und Russland haben ebenso einen Stammplatz wie China. Doch jetzt soll das Gremium größer werden: "Der Sicherheitsrat soll von 15 auf 25 Sitze erweitert werden, die Zahl der ständigen Mitglieder von fünf auf zehn", erklärt Berthold Meyer, Professor für Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Marburg. Dabei geht es sozusagen um geografische Gerechtigkeit, sagt Otto Keck, Professor für Internationale Organisationen an der Universität Potsdam: "Wünschenswert wäre, dass alle Erdteile vertreten sind."
Viele wollen, wenige dürfen
Doch diese Vorstellung ist nicht so einfach durchzusetzen. Denn: Welches Land für seinen Kontinent im Sicherheitsrat sitzen darf, ist noch ungeklärt. "In Südasien sind Indien und Pakistan Kandidaten, aber Indonesien ist auch da und fragt: "'Warum eigentlich nicht wir?'", sagt Meyer. Genau so unentschieden seien die anderen Gruppen. "In Südamerika will Brasilien, Argentinien und Mexiko möglicherweise auch. Da wird es schwierig. Wie in Afrika, wo Ägypten gerne möchte, aber auch Nigeria und Südafrika."
Doch bis da eine Entscheidung falle, könne es dauern, glaubt Keck: "Das wird noch ein langer Prozess werden. Es ist noch nicht so weit, dass man einem einzelnen Land Chancen ausrechnen könnte."
Geld verbessert die Aussichten
Am ehesten hätten wohl Deutschland und Japan Aussichten auf einen festen Platz, "weil sie jeder immerhin etwa zehn Prozent zum UNO-Haushalt beitragen", sagt Meyer. Deutschland habe auch am 14. Juli 2004 mit Indien einen Pakt geschlossen: Beide unterstützen gegenseitig ihre Bemühungen um die festen Sitze.
Was Deutschland angeht, sind beide Experten dann aber doch skeptisch. "Außenminister Joschka Fischer hat sich gerade wegen der Menschenrechtslage in China mit dem chinesischen Außenminister angelegt, was die Sache nicht gerade befördert", meint Meyer.
Kein Sitz für ganz Europa
Außerdem könne Deutschland wohl nicht mit der Unterstützung von Entwicklungsländern rechnen, schätzt der Friedensforscher: "Die sagen sich: 'Warum sollten wir noch ein drittes EU-Land dazunehmen?'" Und ein US-Diplomat äußerte gegenüber der britischen Zeitung "Financial Times" arge Bedenken gegen Deutschland als ständiges Ratsmitglied. Meyer folgert: "Deutschland läuft sich warm, wird aber nicht eingewechselt."
Theoretisch wäre auch - statt eines einzelnen Landes - ein europäischer Sitz im Sicherheitsrat denkbar. Doch Keck winkt ab: "Wir können in Zukunft nicht damit rechnen, dass Großbritannien und Frankreich ihre Position zugunsten eines europäischen Sitzes aufgeben." Auch Meyer sieht für solche Pläne zu wenig Einigkeit innerhalb der Europäischen Union (EU).
Vollversammlung muss Ja sagen
Darüber hinaus zieht sich die Reform des Sicherheitsrates noch aus anderen Gründen weiter hin. "Da ist noch einiges unklar, zum Beispiel die Abstimmungsregeln", erklärt Keck: "Werden die ständigen Mitglieder auch in Zukunft ein Veto-Recht haben?" Meyer schätzt, "dass sich das Zeitfenster erst richtig öffnet, wenn in den USA der Präsidentschafts-Wahlkampf vorbei ist." Voraussichtlich Ende 2004 soll eine von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetzte Kommission Vorschläge für die UN-Reform vorlegen. Schon 2005 könnte es dann zur Abstimmung in der Vollversammlung kommen.
Wenn dann die Kandidaten feststehen, müsste noch die veränderte UN-Charta abgesegnet werden - mit Zwei-Drittel-Mehrheit in der UN-Vollversammlung. Zum Schluss, sagt Keck, müssten die Änderungen auch noch ratifiziert werden.
Die Stühle warten nicht
Nach Meyers Ansicht ist auch eine Teillösung möglich: Zum Beispiel könnten erstmal nur Japan und Deutschland dem festen Kreis beitreten. Die Stühle, für die keine Länder gefunden werden, könnten wieder wegfallen. "Man kann ja keine Sitze leer lassen, bis die andern endlich einen Vertreter ausgewählt haben. Dann macht man's halt gar nicht."