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Kunst

Biograph Elger: Abstraktion zieht sich durch Richters Werk

29. Juli 2018

Das neue Museum Barberini in Potsdam zeigt rund 90 Arbeiten von Gerhard Richter. Warum der 86-Jährige der wichtigste, teuerste und gleichzeitig bescheidenste Künstler unserer Tage ist, erklärt Mitkurator Dietmar Elgar.

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Deutschland Dietmar Elger Leiter des Gerhard-Richter-Archivs
Bild: picture-alliance/dpa/M. Hiekel

Deutsche Welle: Im Potsdamer Barberini-Museum riecht es noch ganz frisch, da hängen schon Werke des Kunst-Weltstars Gerhard Richter an den Wänden? 

Dietmar Elger: Es hat eine gewisse Logik, dass es jetzt schon so früh kommt, nach einem Jahr Museumsbetrieb. Der spezielle Grund ist vielleicht: Das Museum hat im vergangenen Jahr ein großes abstraktes Gemälde von Gerhard Richter erworben. Das war der Anlass zu sagen: Jetzt machen wir auch die Ausstellung.

Die Schau heißt ganz schlicht "Abstraktion". Ist das, was Sie ausstellen, die Essenz von Richters Künstlerleben – seine Suche nach der abstrakten Form?

Richters Werk ist schon sehr vielfältig und hat viele Aspekte im naturalistischen und realistischen Bereich. Beides wird ja immer so als Gegenpol gesehen. Und die Abstraktion ist schon ein Aspekt, der sich seit den 1950er Jahren bis heute durch das Werk Richters zieht.

Geben Sie uns mal ein Beispiel?

Es gibt schöne Beispiele aus diesem Grenzbereich zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit. Wir haben abstrakte Bilder in der Ausstellung, die gleichzeitig sehr landschaftlich sind. Man sieht eine Landschaft, die abstrakt aufgeführt ist, und doch meint man, Himmel und Bäume zu erkennen. Diese Gratwanderung zwischen Realismus und Abstraktion ist auch etwas, was sich durch das ganze Werk von Gerhard Richter zieht und was auch in den frühen Arbeiten aus den 50ern vorkommt. Deshalb hat Gerhard Richter diese Arbeiten als ein Entrée, als Auftakt der Ausstellung mitintegriert.

Sie als Richter-Biograph wissen das vielleicht: Ging es dem Maler um die "perfekte Form"?

Die perfekte Form ist vielleicht nie zu erreichen. Nein, die Ausstellung zeigt vielleicht eher, dass es Variationen und Möglichkeiten gibt, nicht aber das Streben nach einer perfekten, endgültigen Form. "Möglichkeiten" wäre wohl das entscheidende Wort.

Kein anderer Maler, von Picasso einmal abgesehen, hat so variiert wie Richter. Aber mitgemalt, mitgespritzt, mitgerakelt hat ja immer auch der Zufall.

Buchcover: Elger - Richter, Maler
Elgers schrieb ein Standardwerk über den Maler

Genau! Der Zufall spielt eine große Rolle im Werk von Gerhard Richter, vor allem in der Werkgruppe der abstrakten Bilder, die ja erst 1976 beginnt – was auch schon 40 Jahre zurückliegt. Aber deshalb nennen wir die Ausstellung auch "Abstraktion", weil sie über die abstrakten Bilder, die eine streng definierte Werkgruppe bilden, hinausgeht - sowohl in der Form als auch in der Zeit. Sie setzt sehr viel früher an als diese abstrakten Bilder.

Richter gilt gemeinhin als sehr bescheidener Mensch, der das große künstlerische Pathos ablehnt. Seine Bilder - die teuersten der Welt - sprechen für sich. Was wird bleiben, sollte er eines Tages mit der Kunst aufhören?

Das wird ein substanzielles Werk sein. Richter ist ein Künstler, der seinen Platz in der Kunstgeschichte gefunden hat.

Wofür steht er?

Für ein innovatives Werk, das sowohl die Moderne reflektiert als auch wichtige Impulse gegeben hat für die Weiterentwicklung der Malerei in einer Zeit der Postmoderne, in der Malerei eigentlich nicht mehr diese Bedeutung hat wie früher. Aber Richter zeigt eben: Malen ist nicht nur möglich, sondern Malen ist eine wichtige Aussage.

Es gibt diesen vielzitierten Satz: "Die Malerei ist tot. Es lebe die Malerei!" Wie würde es Richter formulieren?

Genau andersherum - vielleicht!

Der Kunsthistoriker und Kurator Dietmar Elger, Jahrgang 1958, ist Richter-Spezialist. Er leitet das Gerhard Richter-Archiv, ein Institut der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, und gilt als einer der besten Kenner des Werks von Richter. 2002 legte er eine Biographie des Künstlers vor, die heute als Standardwerk gilt.


Das Gespräch führte Stefan Dege