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Gerhard Schröder - Kanzler mit Machtinstinkt

Heinz Dylong 11. Juli 2005

Seit sieben Jahren ist Gerhard Schröder Bundeskanzler. Auch wenn sein Image angeknackst ist, genießt Schröder weiterhin große Popularität. Was ist das Geheimnis seiner Karriere?

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Neuer Anlauf aus geschwächter PositionBild: dpa - Bildfunk

Es gibt eine immer wieder gern erzählte Legende um Gerhard Schröder: Vor Jahren soll er als junger SPD-Bundestagsabgeordneter im Scherz am Zaun des Bundeskanzleramts in Bonn gerüttelt und dabei gerufen haben: "Ich will da rein." Auch wenn das lediglich eine nette Erfindung sein sollte. Dass Schröders Weg auch nur in die Nähe politischer Schaltzentralen führen würde, war dem heutigen Bundeskanzler beileibe nicht in die Wiege gelegt.


Gerhard Schröder - Schulfoto - Panorama
Erkannt? Links steht zusammen mit seinen Klassenkameraden der spätere Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, Gerhard Schröder. Aufgenommen in den 1950er Jahren.Bild: dpa


Er habe eine glückliche, aber "ärmliche Kindheit" gehabt, sagt Schröder über sich selbst. Vermisst habe er vor allem "den Zugang zur Bildung". "Der Zugang dazu muss offen sein und darf nicht von Vaters oder Mutters Geldbeutel abhängen". Geschenkt bekommen hat der junge Schröder wenig. "Geprägt hat mich das Sich-Hochboxen-Müssen."

Vom Bauhilfsarbeiter zum Rechtsanwalt

Seine "glückliche, aber ärmliche Kindheit" verbrachte der 1944 als Sohn eines Hilfsarbeiters geborene Schröder gemeinsam mit fünf Geschwistern. Den im Zweiten Weltkrieg gefallenen Vater lernte er nicht mehr kennen. Und von einer höheren Schulbildung konnte zunächst keine Rede sein. Eine kaufmännische Lehre und die Tätigkeit als Bauhilfsarbeiter befriedigten seinen Ehrgeiz jedoch nicht. Auf dem zweiten Bildungsweg machte Schröder das Abitur und nahm anschließend ein Jurastudium auf. Als er dann Mitte der 1970er Jahre die Zulassung als Rechtsanwalt erhielt, war er auf der politischen Bühne längst kein unbeschriebenes Blatt mehr.

Bildergalerie Gerhard Schröder 8
Der 33-jährige Gerhard Schröder als Juso im Jahr 1978.Bild: AP

Denn da hatte er sich - 1963 in die SPD eingetreten - längst bei den Jusos, der Jugendorganisation der Partei, engagiert. Nach verschiedenen Funktionen auf regionaler Ebene wurde er 1978 Bundesvorsitzender der von ideologischen Auseinandersetzungen geprägten Organisation. Dem damals als ausgewiesenem "Linken" geltenden Schröder wird zugute gehalten, dass sich das Verhältnis der SPD-Jugendorganisation zur Mutterpartei entspannte.

Der "linke Juso" rückt nach rechts

1980 hatte Schröder die Altersgrenze der Jusos erreicht. Er verließ die Jugendorganisation, wurde jedoch noch im selben Jahr Bundestagsabgeordneter. Das blieb er sechs Jahre, während der er sich allerdings ehrgeizige Ziele in Niedersachsen setzte. Dort wollte er Ministerpräsident werden, was ihm im ersten Anlauf 1986 noch misslang. Doch 1990 schaffte er es. Nach der Landtagswahl bildeten SPD und Grüne eine von Schröder geführte Koalitionsregierung. Vier Jahre später errangen die Sozialdemokraten gar die absolute Mehrheit der Landtagssitze.

Oskar Lafontaine und Rudolf Scharping
Rudolf Scharping, links, und Oskar Lafontaine 1995Bild: AP

Allerdings hatte Schröder - er galt inzwischen als eher rechter Sozialdemokrat - auch als Ministerpräsident keineswegs Abschied von bundespolitischen Ambitionen genommen. 1993 wählten die Mitglieder der SPD einen neuen Bundesvorsitzenden. Schröder trat an und unterlag. Neuer SPD-Chef wurde Rudolf Scharping, der sich - vor allem nach seiner Niederlage als Kanzlerkandidat 1994 - mit zum Teil heftiger Kritik Schröders auseinandersetzen musste - Personalquerelen, die letztlich erst mit dem Sturz Scharpings durch Oskar Lafontaine im November 1995 ein Ende fanden.

Lesen Sie in Teil 2 über Schröders größten Triumph und seine schwerste Niederlage.

Schröders Freunde der Vergangenheit

Lafontaine und Schröder waren denn auch die meistgehandelten Namen bei der Frage, wer 1998 als Kanzlerkandidat der SPD ins Rennen gehen sollte. Die letzte Entscheidung fiel bei der niedersächsischen Landtagswahl Anfang 1998. Die von Schröder in die Wahl geführte SPD verbesserte sich deutlich und errang abermals die absolute Mehrheit der Sitze. Noch am Wahlabend erklärte Lafontaine die Kandidatenfrage zugunsten Gerhard Schröders für gelöst. Der stürzte sich denn auch in den Wahlkampf, der am 27. September 1998 mit einem großen Erfolg der SPD endete.


Gerhard Schröder - 1998 - Panorama
Ein Moment des Triumphes: Lafontaine gratuliert Schröder zur gewonnen Bundestagswahl 1998Bild: dpa

Mit fast 41 Prozent der Stimmen wurde sie stärkste Partei im Bundestag und Gerhard Schröder als Chef einer Koalition von SPD und Grünen siebter Bundeskanzler der Bundesrepublik. Am Wahlabend trat er vor seine jubelnden Anhänger: "Liebe Freundinnen, liebe Freunde, nach 16 Jahren ist heute die Ära Helmut Kohl zu Ende gegangen."

Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit verloren

Inhaltlich positionierte sich Schröder ganz im Sinne seines Wahlkampfs, der unter dem Motto "Innovation und Gerechtigkeit" auf die "Neue Mitte" gezielt hatte. "Ich stehe für ökonomische Stabilität und Entwicklung, für Innere Sicherheit, aber vor allem auch für außenpolitische Kontinuität. Mein wichtigstes Ziel, liebe Freundinnen und Freunde, ist der Kampf gegen die Geißel der Massenarbeitslosigkeit." Nur wenige Monate nach diesem Wahlsieg wurde Gerhard Schröder 1999 auch Bundesvorsitzender der SPD. Oskar Lafontaine hatte sich im Frühjahr überraschend von all seinen Ämtern zurückgezogen.



Bundestag Gerhard Schröder Jobgipfel Angela Merkel
Schröder und Merkel beim Jobgipfel am 17. März 2005 im Bundestag.Bild: AP

Beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit blieben der Regierung durchschlagende Erfolge versagt - bis heute. Noch 2002 gelang der rot-grünen Koalition ein knapper Wahlsieg. Der ließ sich neben dem gelungenen Management der Hochwasserkatastrophe an Elbe und Oder auch der Haltung der Bundesregierung zum Irak-Krieg der USA zuschreiben. Berlin sagte Nein, was Schröders Ansehen in der Öffentlichkeit wachsen ließ. Doch mit der Agenda 2010 - einem Paket von Sozialreformen, das auch Schnitte ins soziale Netz beinhaltet - schwand der Rückhalt Schröders in Partei und Öffentlichkeit spürbar. Sein Rückzug vom SPD-Vorsitz war die eine Konsequenz, und nach einer Kette von schweren Wahlniederlagen seiner Partei sucht Schröder nun die Entscheidung in einer vorgezogenen Wahl des Bundestages.