Gerst: "Wir müssen auf den Mars"
29. Mai 2015DW: Herr Gerst, würden Sie nochmal ins All wollen, zum Beispiel auf eine Mars-Mission, wenn man Sie dafür auswählen würde?
Alexander Gerst: Ja, selbstverständlich! Ich denke, das können Sie jeden Astronauten fragen. Der wird Ihnen das selbe sagen. Der Mars und auf dem Weg dorthin der Mond sind die zwei großen Schritte. Wir Menschen sind ja Entdecker, und wir haben natürlich auch die Pflicht, unsere Umgebung zu erforschen, weil dort Gefahren auf uns warten. Das heißt, es ist wichtig, dass wir uns in unserer kosmischen Umgebung auskennen. Und da sind der Mond und der Mars die nächsten Ziele.
Was machen Sie eigentlich jetzt, als Astronaut auf der Erde?
Ich bin inzwischen wieder am deutschen Astronautenzentrum in Köln beschäftigt. Ein Teil meiner Aufgabe ist die wissenschaftliche Nachbereitung. Ich bin immer noch ein bisschen Versuchskaninchen für Vergleichsdaten meiner Expedition. Und natürlich leiste ich Öffentlichkeitsarbeit. Aber den Hauptteil meiner Arbeit verbringe ich damit, dass ich meinen Kollegen helfe, die in der Zukunft starten werden und ihren ersten Raumflug noch vor sich haben. Denen stehe ich mit Rat und Tat zur Seite. Und natürlich bin ich auch weiterhin Astronaut im Astronautencorps und stehe für weitere Missionen zur Verfügung.
Was ist für Sie die spannendste nächste Aufgabe der europäischen Raumfahrt?
Das ist schwierig. Die ESA hat sehr viele Projekte in allen möglichen Bereichen. In der Exploration, für die mein Herz schlägt, planen wir bemannte und unbemannte Missionen. ExoMars, die unbemannte Mission zum Mars, die wir zusammen mit der russischen Raumfahrtbehörde für 2016 planen. Wer weiß, ob wir damit schon herausfinden können, ob es auf dem Mars Leben gibt. Wahrscheinlich müssen wir dazu aber bemannt hinfliegen. Diese Vorbereitungsmission für einen bemannten Marsflug finde ich ein sehr spannendes Thema.
Auf der bemannten Seite arbeitet die ESA gerade mit der NASA zusammen und baut ein neues Raumschiff, das Orion-Raumschiff. Das ist dafür konzipiert, eventuell weiter raus zu fliegen, zum Mond und eventuell auch zum Mars.
Raumfahrt ist nicht ungefährlich für unseren Organismus. Da ist die Schwerelosigkeit oder die Strahlung. Werden es die technischen Fortschritte irgendwann erlauben, länger im Weltraum zu bleiben?
Ja, das habe ich auch aus meiner eigenen Mission gelernt. Früher war es so, dass sich Muskeln und Knochen zurückgebildet haben. Das hat man inzwischen unter Kontrolle. Ich habe in der Schwerelosigkeit durch das neuartige Training sogar drei Kilogramm Muskelmasse hinzugewonnen. Meine Knochenmasse ist fast stabil geblieben. Ich habe mich tatsächlich fast so gefühlt, als hätte ich locker länger als ein halbes Jahr dort oben bleiben können.
Ich bin überzeugt, dass wir das können. Wir sind so weit. Die Frage ist eher eine gesellschaftlich-politische, wann wir zu diesem größten Abenteuer der Menschheit aufbrechen. Wir müssen es irgendwann tun. Das ist wichtig für uns. Zum Beispiel, um herauszufinden, wie wir es vermeiden können, dass die Erde dasselbe Schicksal wie der Mars nimmt - von einem bewohnbaren zu einem wüsten und leeren Planeten zu werden.
Das ist eine Sache, die uns der Mars verraten kann. Er kann uns vielleicht auch verraten, ob wir im Universum alleine sind. Wenn wir dort Spuren von Leben finden - von ausgestorbenem oder noch existierendem - würde das in der Konsequenz bedeuten, dass das Universum vor Leben nur so blüht. Und das finde ich eine extrem interessante Frage. Das wäre, wenn man so will, eine philosophische Bombe.
Das gesamte Gespräch mit Alexander Gerst sehen Sie in unserer nächsten Ausgabe von "Projekt Zukunft".
Das Gespräch führte Derrick Williams.