Eurogruppe sucht Chef(-in)
4. Dezember 2017Die Eurogruppe, der exklusive Club der Finanzminister jener 19 EU-Staaten, die den Euro als Währung haben, sucht einen neuen Vorsitzenden. Das Ehrenamt muss nach den Statuten der EU an einen amtierenden Finanzminister gehen. Die Frau oder der Mann sollte erfahren und krisenfest sein, denn in Finanz- und Schuldenkrisen kann es in der Eurogruppe schon mal hektisch, laut und fordernd werden. In einem außergewöhnlich transparenten Verfahren haben sich drei Kandidaten und eine Kandidatin um den Chefsessel beworben. An diesem Montag wählen die 19 Finanzminister. Im ersten Wahlgang braucht man zehn Stimmen zum Sieg. Danach reicht die einfache Mehrheit. Für den zweiten Wahlgang sollten die am schlechtesten platzierten Kandidaten ihre Bewerbung zurückziehen. Das wird erwartet, ist aber keine schriftlich fixierte Regel.
Der Vorsitz der Eurogruppe gilt als eines der wichtigsten Ämter in der EU. Die drei anderen sind der EU-Kommissionspräsident, der EU-Ratspräsident und der EU-Parlamentspräsident. Und das sind die Bewerber:
Dana Reizniece-Ozola, Lettland, 36 Jahre, Partei der Bauern und Grünen
Die lettische Politikerin, die nebenbei an Schacholympiaden teilnimmt und es zur Schach-Großmeisterin gebracht hat, hat nur Außenseiterchancen. Reizniece-Ozola ist seit 2016 Finanzministerin Lettlands, gehört aber der falschen Parteienfamilie an. Ausgemacht ist, dass ein Sozialdemokrat das Amt bekommt, da die drei anderen Spitzenämter von Konservativen bekleidet werden. Grüne haben kaum eine Chance.
Pierre Gramegna, Luxemburg, 59 Jahre, Demokratische Partei
Der frühere Wirtschaftslobbyist trat erst Tage vor seiner Berufung zum Finanzminister im Jahr 2013 in die liberale Demokratische Partei ein. Auch sie ist für diese Wahl wohl die falsche, denn die Sozialdemokraten erheben Anspruch auf den Vorsitz der Eurogruppe. Gramegna stellte sich selbst zur Wahl auf. Bis zum vergangenen Donnerstag konnten Bewerbungen beim Sekretariat des Ministerrates in Brüssel abgegeben werden.
Peter Kazimir, Slowakei, 49 Jahre, Partei Smer
Der langjährige Abgeordnete, der seit 2012 Vize-Premierminister und Finanzminister der Slowakei ist, gehört zwar der sozialdemokratischen Partei in der Slowakei an, aber die "Smer" gilt vielen als sehr weit rechts stehend, besonders in der Flüchtlingsfrage. Kazimir könnte aber damit punkten, dass die EU mehr Spitzenämter auch an Politiker aus neuen Mitgliedsstaaten vergeben will. Die Slowakei ist 2004 der EU beigetreten.
Mario Centeno, Portugal, 50 Jahre, parteilos
Der in Harvard ausgebildete Ökonom gehört zwar keiner Partei an, hat sich aber trotzdem der sozialdemokratischen Fraktion im portugiesischen Parlament angeschlossen. Damit besitzt Centeno schon einmal die richtige politische Farbe für das Amt. Außerdem steuerte er Portugal als Finanzminister (seit 2013) aus der Finanzkrise auf den Wachstumspfad zurück und tritt für die Rettungspolitik der Eurogruppe ein: Hilfe nur gegen teils harte Auflagen. Mario Centeno gilt als Favorit bei der Wahl, auch wenn in der Eurogruppe im Moment konservative und liberale Minister die Mehrheit haben.
Die Amtszeit des bisherigen Eurogruppen-Chefs Jeroen Dijsselbloem endet im Januar. Der Sozialdemokrat Dijsselbloem konnte nicht erneut kandidieren, da er der neuen niederländischen Regierung nach einer Wahlniederlage nicht mehr angehören wird. Der Leiter der Eurogruppe soll eine weitere Vertiefung der Währungsunion und möglicherweise auch die Einrichtung eines "europäischen Finanzministers" vorantreiben. Der würde dann wiederum den Posten des Eurogruppen-Chefs überflüssig machen.