Gesundheitsminister Spahn unter "Beschuss"
7. März 2021Ab Montag sollte jeder Bürger nach der jüngsten Vereinbarung von Bund und Ländern wöchentlich einen kostenlosen Corona-Schnelltest erhalten können - doch das von Gesundheitsminister Jens Spahn vollmundig versprochene Angebot kommt so nicht. Spahn wies jüngst darauf hin, aus logistischen Gründen werde der Test nicht überall verfügbar sein. Bei CSU und SPD macht sich deswegen mehr als Unmut breit. Sie sehen das Gesundheitsministerium der Christdemokraten und vor allem den zuständigen Minister in der Verantwortung.
"Zu spät, zu langsam, zu wenig bestellt"
Der Generalsekretär der Schwesterpartei CSU, Markus Blume, wirft Spahn massive Versäumnisse beim Thema Schnelltests vor. "Tests sind die Brücke bis zum Impfangebot für alle. Aber leider sehen wir auch hier wieder: Es wurde zu spät, zu langsam, zu wenig bestellt. Man muss deutlich sagen, es sind wohl Fehler im Bundesgesundheitsministerium passiert. Jetzt muss endlich geliefert werden", verlangt der CSU-Politiker. Und in der "Bild am Sonntag" (BamS) legt Blume nach: "Man kann nicht die Verantwortung beim Testen auf die Länder schieben und sich selbst für komplett unzuständig erklären."
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) weist im Gespräch mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe darauf hin, Mitte Februar habe Spahn kostenlose Schnelltests für alle versprochen. "Und er hat behauptet, er habe für Deutschland 500 Millionen Tests vertraglich gesichert. Das war ein großes Versprechen und hat sehr hohe Erwartungen geweckt, die er nicht einhalten konnte." Ihr Land habe nun selbst Tests beschafft, sagt Dreyer, die am kommenden Sonntag die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz gewinnen will.
Am Samstag kamen Laien-Corona-Selbsttests zur Anwendung zu Hause in die ersten Supermärkte - und waren sofort vergriffen. Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wirft dem Bund auch in dem Zusammenhang Versagen vor. Ihr Bundesland (rund 1,6 Millionen Einwohner) hat nach Angaben von Schwesig zwei Millionen Gratis-Selbsttests geordert. "Ich will an dieser Stelle nicht verhehlen, dass ich sehr verärgert bin darüber, dass der Bund es zulässt, dass zunächst Aldi und Co. Selbsttests verramschen können, und wir die Selbsttests erst Mitte März geliefert bekommen", moniert die SPD-Politikerin in Schwerin.
Die kostenlosen Schnelltests durch geschultes Personal sollten von der kommenden Woche an in Apotheken, Testzentren und auch bei Hausärzten verfügbar sein.
Hausärzte-Verband sieht eine wirre Strategie
Doch auch in den Praxen herrscht große Verunsicherung. Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, beklagt sich in der "Bild am Sonntag": "Wir wissen nicht einmal ansatzweise, wann diese Schnelltests in welchem Umfang von wem geordert und zu wem geliefert werden sollen." Und: "Was wir nicht anbieten können, ist ein Tag der offenen Tür für alle, die sich mal eben spontan testen lassen wollen."
Die Tests sollen zusammen mit Impfungen die Ausbreitung mutierter Coronaviren und damit eine dritte Welle in Deutschland verhindern. Letztendlich sollen sie auch dafür sorgen, dass die Pandemie eingedämmt werden kann. Zuletzt mehren sich deswegen Forderungen, die Proirisierung der Impfstrategie zu ändern.
Kretschmann wirbt für gelockerte Impfreihenfolge
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann schlägt vor, das Impftempo durch eine Lockerung der Impfreihenfolge zu erhöhen. "Wir können uns keineswegs erlauben, Impfdosen stehen zu lassen", sagt der Grünen-Politiker der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". "Ich bin deshalb dafür, dass man zusätzlich zu den Impfzentren so schnell wie möglich in den Arztpraxen impft und dass das feste Impfschema dort dann wirklich nur noch eine Empfehlung ist."
Der Immunologe Michael Meyer-Hermann empfiehlt, die Impfgruppen nach der Menge ihrer Kontakte zu priorisieren. Jene mit vielen Kontakten zuerst zu impfen "hätte eine viel größere Wirkung", als weiter nach Alter vorzugehen, sagt der Experte vom Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung dem Berliner "Tagesspiegel". Durch die Impfung zuerst der älteren Bevölkerung sei die Todesrate deutlich gesenkt worden - aber dies sei die Gruppe mit den wenigsten Kontakten, eine Wirkung auf die Epidemie habe dies nicht.
Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldet an diesem Sonntag 8103 Neuinfektionen. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 66,1 (Samstag: 65,4). Der Wert gibt an, wie viele Menschen je 100.000 Einwohner sich in den vergangenen sieben Tagen mit dem Coronavirus angesteckt haben. 96 Menschen starben binnen 24 Stunden an oder mit COVID-19.
se/kle (dpa, afp, rtr)