Gewalt gegen Frauen
25. November 2011"Sexuelle Gewalt ist eine Waffe. Sie ist billig, macht keinen Lärm und ist effektiv – das haben wir im Kongo und in anderen Kriegs- und Konfliktregionen gesehen", sagt Margot Wallström. Seit März 2011 ist sie UN-Sonderbeauftragte im Kampf gegen die Gewalt an Frauen. An diesem Freitag - wie jedes Jahr am 25. November - wird an diese Form der Gewalt mit einem internationalen Gedenk- und Aktionstag erinnert.
"Es ist eine Demonstration der Macht um Kontrolle auszuüben", betont Wallström. Dörfer und ganze Regionen würden dadurch regelrecht terrorisiert. Das wirke meist sehr lange nach und habe schwerwiegende Folgen für die innere Verfasstheit der gesamten Gesellschaft eines Landes.
Mehrere Berichte von Vergewaltigungen in der Grenzregion zwischen Angola und der Demokratischen Republik Kongo veranlassten sie in diesem Jahr, nach Kamako an die kongolesische Grenze zu reisen. Dort traf sie Zeuginnen und Betroffene zahlreicher Vergewaltigungen, verübt von Angehörigen der angolanischen Polizei an illegalen Einwanderinnen aus dem Kongo. Ihre Ergebnisse machte Wallström bei der Regierung in Luanda zum Thema.
Überzeugungsarbeit vor Ort
Zunächst hätten die Politiker von einem Einzelfall gesprochen. Im Laufe der Gespräche aber sei schließlich die Bereitschaft gewachsen, etwas zu tun: "Dann haben wir uns die Kommandostrukturen angeschaut, ob sie klar organisiert sind, damit die Befehle auch alle Sicherheitskräfte auf der angolanischen Seite erreichen", berichtet die Sonderbeauftragte. "Außerdem haben wir darauf gedrängt, in der Befehlskette deutlich zu machen, dass dies nach angolanischem Gesetz absolut verboten ist, dass es nicht akzeptabel ist und nicht passieren darf."
Entsprechende Trainings durch die Vereinten Nationen sollen das Konzept jetzt ergänzen, sowie regelmäßige Berichte von beiden Nachbarländern - von Angola und der Demokratischen Republik Kongo. Denn auch dort versucht das Team der Sonderbeauftragten Verbesserungen zu erreichen. Die Resolutionen 1820 (in 2008) und 1888 (in 2009) des UN-Sicherheitsrates sind dabei die Arbeitsgrundlage. Für Wallström ein Fortschritt . Der Sicherheitsrat habe schließlich darin erklärt, dass er bereit sei, "alle Tools zu nutzen, einschließlich Einfrieren von Zuwendungen, Täter öffentlich zu machen und auf eine Liste zu setzen, dafür zu sorgen dass sie bestraft werden und sicherzustellen, dass die Türen für Vergewaltiger geschlossen werden."
Mobile Gerichte
Erste Ansätze, um der Straflosigkeit und damit auch der Gewaltspirale in den konfliktbelasteten Regionen der Demokratischen Republik Kongo entgegenzuwirken, sind die mobilen Militärgerichte. 250 Verurteilungen soll es inzwischen gegeben haben, und in rund drei Viertel aller Fälle ging es um Vergewaltigungen.
Monika Hauser, Gründerin der international tätigen Menschenrechtsorganisation für Frauen - "medica mondiale" - sieht darin "einen richtigen Schritt, um die Lebenssituation von Frauen endlich in den Blick zu nehmen". Es sei eben wirkungslos, Gerichtsverfahren in Städten zu machen, weil die Zeuginnen fast keine Möglichkeit hätten, überhaupt dorthin zu kommen. "Daher ist es natürlich genau der richtige Weg, dass Gerichte mobil dahin gehen, wo die Frauen sind, nämlich raus in die Dörfer in weit entlegenen Gebieten."
Dennoch werden laut Monika Hauser nach wie vor zu wenige Täter verurteilt, und der bewaffnete Konflikt im Osten des Kongo sei so brutal, dass man inzwischen von einer "Entmenschlichung der Männer" sprechen müsse. Über die Hälfte aller Vergewaltigungen würden Armee-Soldaten zugeschrieben. Wenn die Frauen überlebten, so die Ärztin und Menschenrechtsexpertin, bleibe ihr Lage oft verzweifelt.
Afghanistan noch gefährlicher
Für Frauen ist die Demokratische Republik Kongo, so eine internationale Studie der Thomas-Reuter-Stiftung in London, das zweitgefährlichste Land der Welt, gefolgt von Pakistan, Indien und Somalia. Am gefährlichsten allerdings ist nach dieser Studie das Leben für die Frauen in Afghanistan. Ein Ergebnis, das Monika Hauser durch die Berichte ihrer Kolleginnen und anderer Frauenorganisationen überall in Afghanistan bestätigt sieht: afghanische Frauen und Mädchen seien ständiger Gewalt ausgesetzt. Weniger durch unmittelbare Kampfhandlungen, sondern vor allem durch die Gewalt in der eigenen Familie. "Achtzig Prozent der Frauen und Mädchen sind zwangsverheiratet, mehr als die Hälfte davon in einem Alter von unter 15 Jahren." Hinzu kommen die sehr schlechte Gesundheitsversorgung und die extreme Armut, die vor allem in den ländlichen Regionen in den vergangenen zehn Jahren gewachsen sei.
Dabei sollte der militärische Einsatz westlicher Streitkräfte und die Beteiligung von Frauen am Friedensprozess schon längst eine grundlegende Verbesserung – auch der sozialen Lage – der Frauen herbeigeführt haben. Für Monika Hauser sind das Lippenbekenntnisse. Niemand, kritisiert sie, habe sich wirklich konsequent an die Seite der Frauen gestellt.
Dass aber Frauen nicht nur unterstützt, sondern gleichberechtigt in die Gestaltung des Friedensprozesses einbezogen werden sollen, war bereits Inhalt der ersten, grundlegenden Resolution der UN-Sicherheitsrates. "Schon vor zehn Jahren hat die UN-Resolution 1325 Frauen, Frieden und Sicherheit als untrennbare Einheit und Frauen dabei in der Rolle als Friedensstifterinnen identifiziert", betont Sonderberichterstatterin Wallström. Sie erinnert an die Aufforderung des einstigen Generalsekretärs Kofi Annan, nationale Aktionspläne zu entwickeln. "Und ich hoffe, dass mehr Länder das machen, um all die netten Formulierungen in der Resolution endlich in Richtung Beteiligung, Gewaltprävention und Empowerment von Frauen zu verändern."
Strategie überfällig
Deutschland, seit Jahren in und für Afghanistan engagiert, hat nach wie vor keinen solchen Aktionsplan. "Man sagt uns zum Beispiel, dass man ja andere Instrumente hätte", berichtet Monika Hauser, auch Mitglied im Frauensicherheitsrat, einem zivilgesellschaftlichen Zusammenschluss engagierter Frauen zu dem Thema in Deutschland. "Wir sehen aber, dass es keine Kohärenz in den Maßnahmen zum Beispiel in der Bundesregierung gibt. Hier mal eine Mädchenschule und dort die Unterstützung für Frauen, das reicht eben nicht aus", kritisiert Hauser und fordert: "Es braucht koordinierte, klare, zielgerichtete, strategische Maßnahmen, die miteinander in Zusammenhang stehen, um auf mehreren Ebenen die Dinge vorwärts zu bewegen."
In hartnäckiger Sensibilisierungsarbeit in den Kabuler Ministerien gelang den afghanischen Projektmitarbeiterinnen von medica mondiale jetzt ein kleiner Erfolg: Bei der Kabuler Polizei wurde ein Menschenrechtsbereich installiert, Polizisten werden geschult, und wenn sich Frauen wegen Gewalterlebnissen bei der Polizei melden, wird die Hilfsorganisation sofort informiert. Hartnäckige Überzeugungsarbeit vor Ort war auch hier das Mittel, um eine Veränderung zu erreichen. Und, so berichtet Monika Hauser, "nur weil es da den einen oder anderen Mann gab, der mittlerweile verstanden hat, wie eng der Zusammenhang von Gewalt gegen Frauen und die weitere Verschlechterung der Sicherheitslage im Land ist, haben wir ein solches Departement erreicht."
Verhandlungstisch ohne Frauen
Allerdings fragt sich Monika Hauser, Trägerin des Alternativen Nobelpreises, warum dies nicht von der deutschen Regierung aktiv unterstützt wurde. Schließlich mache Deutschland ja die Polizeiausbildung vor Ort.
Für die im Dezember stattfindende Afghanistankonferenz in Bonn hofft sie jetzt auf bessere Strategien. Angesichts der bislang bekannten Planungen bleibt sie skeptisch. Denn: wenn am Rhein demnächst afghanische Regierungsvertreter und internationale Politiker am Verhandlungstisch sitzen und die Zukunft des Landes gestalten, ist die Gewalt gegen Frauen kein Punkt auf der Tagesordnung. Und eine adäquate Beteiligung von Frauen ist nicht vorgesehen.
Autorin: Ulrike Mast-Kirschning
Redaktion: Jochen Vock