Gewalt ist für Flüchtlingskinder alltäglich
12. September 2017Drei Viertel aller Kinder, die über die zentrale Mittelmeerroute nach Europa fliehen, werden missbraucht oder ausgebeutet. Das geht aus einem Bericht der Kinderhilfsorganisation UNICEF und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) hervor. Hierfür wurden 22.000 Migranten und Flüchtlinge befragt, die Hälfte davon Kinder.
Inzwischen sei es übliche Praxis, dass Minderjährige auf der zentralen Mittelmeerroute, die über Libyen nach Italien führt, misshandelt, geschlagen oder diskriminiert würden, sagte UNICEF-Regionaldirektor Afshan Khan. Vor allem in Libyen selbst würden junge Flüchtlinge Opfer von Milizen und kriminellen Banden.
Schwarze besonders benachteiligt
83 Prozent der Minderjährigen, die aus Subsahara-Afrika stammten, waren laut dem Bericht Gewalt ausgesetzt. Bei Kindern aus anderen Regionen waren es deutlich weniger, nämlich 56 Prozent. Als Ursache vermuten die Hilfsorganisationen Rassismus.
UNICEF-Direktor Khan rief die EU-Regierungschefs auf, legale Fluchtrouten mit Schutzkorridoren zu schaffen. Es müsse eine Alternative zum Wegsperren von Flüchtlingskindern in Lagern geben. Auch IOM-Europadirektor Eugenio Ambrosi verlangte Maßnahmen zum Schutz der Schwächsten unter den Migranten, unabhängig von ihrem Flüchtlingsstatus.
Lager in der Hand von Schmugglern
Das UN-Flüchtlingswerk UNHCR verhandelt mit den libyschen Behörden über den Bau eines Aufnahmezentrums für Flüchtlinge in dem nordafrikanischen Land, in dem bis zu 1000 Flüchtlinge versorgt werden können.
Die derzeit existierenden Lager in Libyen befinden sich teils in der Hand von Schmugglern und Milizen. Nach Angaben von Hilfsorganisationen sind dort schwere Menschenrechtsverletzungen wie Mord, Vergewaltigung und andere Formen der Misshandlung an der Tagesordnung.
Die Zusammenarbeit mit Libyen, dessen Regierung nur Teile des im Chaos versunkenen Landes kontrolliert, ist international umstritten. Zuletzt hatte die italienische Regierung Vereinbarungen unter anderm mit der libyschen Küstenwache getroffen, damit Flüchtlinge nicht mehr nach Italien gelangen. Die Zahl der Überfahrten ging zwischenzeitlich stark zurück.
jj/haz (dpa, kna)