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Gibt es die RAF noch?

Jens Thurau19. Januar 2016

Viele haben den bundesdeutschen Linksterrorismus der 1970er Jahre schon fast vergessen. Die RAF erklärte sich 1998 selbst für aufgelöst. Doch jetzt gibt es Hinweise, dass sie vielleicht weiterhin existiert.

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Deutschland RAF-Mitglieder Ernst-Volker Wilhelm Staub, Daniela Klette und Burkhard Garweg
Bild: picture-alliance/dpa/BKA

Mit Schnellfeuergewehren und sogar einer Panzerfaust überfielen drei Unbekannte im Juni 2015 einen Geldtransporter bei Bremen. Aber sie gingen leer aus, der Transporter ließ sich nicht öffnen, die Unbekannten ergriffen die Flucht. So weit, so unspektakulär.

Aber jetzt ist dieser Vorfall, der ein halbes Jahr zurückliegt, doch für bundesweite Schlagzeilen gut: Denn nach Medienberichten weisen DNA-Spuren, die in zwei Fluchtfahrzeugen gefunden wurden, auf drei Mitglieder der "Roten Armee Fraktion" (RAF) hin: Daniela Klette, Ernst-Volker Staub und Burkhard Garweg, berichtet der NDR, gehören zur letzten Generation der RAF und sind seit Jahren zur Fahndung ausgeschrieben. Sicherheitskreise sollen das nach Informationen der Deutschen Presseagentur bestätigt haben.

1998: Selbstauflösung

Vor fast 20 Jahren hatte sich die RAF selbst für aufgelöst erklärt. "Die Stadtguerilla in Form der RAF ist nun Geschichte", hieß es in der Erklärung. "Das Ende dieses Projektes zeigt, dass wir auf diesem Weg nicht durchgekommen sind."

Das war damals eine Kapitulation, aber keine Distanzierung von der Gewalt - und schon gar keine Entschuldigung bei den rund 30 Todesopfern und deren Angehörigen seit den ersten Anschlägen Anfang der 1970er Jahre.

Die entführte Lufthansa-Maschine in Mogadischu (1977)
Die entführte Lufthansa-Maschine in Mogadischu (1977)Bild: picture-alliance/dpa

Angst und Schrecken im Deutschen Herbst 1977

Die RAF versetzte vor allem im sogenannten Deutschen Herbst 1977 die damalige Bundesrepublik in Angst und Schrecken. Ihre erste Generation um die Rädelsführer Andreas Baader und Gudrun Ensslin saß im Gefängnis, die untergetauchten Mitglieder erschossen Generalbundesanwalt Siegfried Buback und den Bankier Jürgen Ponto. Und entführten schließlich in Köln den Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer. Dabei wurden die Mitglieder seines Wachkommandos kaltblütig ermordet. Schleyer sollte gegen die inhaftierten Gründungsmitglieder ausgetauscht werden, die Bundesregierung mit dem damaligen Kanzler Helmut Schmidt blieb hart.

Am Ende entführten palästinensische Terroristen ein Urlauberflugzeug, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Der Linksterrorismus internationalisierte sich. Aber ein deutsches Sonderkommando stürmte in Somalia die Maschine, die tagelang durch Nordafrika und den Nahen Osten geirrt war. Die Urlauber konnten befreit werden. In Deutschland begingen die Terroristen Baader, Ensslin und Raspe im Gefängnis Selbstmord, Schleyer wurde ermordet in Frankreich gefunden. Ein dramatischer Showdown - und gleichzeitig das Ende der großen Auseinandersetzung zwischen Staat und RAF.

RAF Fahndungsfoto Fahndungsbild
Terror, Unsicherheit - und auf jedem Postamt ein Fahndungsplakat: In Deutschland erinnern sich noch viele an den "Deutschen Herbst", die Hochzeit der RAFBild: picture-alliance/dpa

Ein Kartell des Schweigens bis heute

Aber die RAF blieb bestehen, ermordete etwa Anfang der 1990er Jahre den Ministerialdirektor im Auswärtigen Amt, Gerold von Braunmühl, und den Chef der Treuhandanstalt, Detlev Rohwedder. Wann immer Mitglieder der Gruppe gefasst wurden, schwiegen sie vor Gericht eisern zu Tatdetails. Bekannt wurde etwa der einsame Kampf des Sohnes von Buback, Michael Buback, der immer wieder versuchte, vor Gericht Aussagen darüber zu erzwingen, wer der Mörder seines Vaters war - vergebens.

Immer noch sind zahlreiche RAF-Kämpfer untergetaucht, viele Mitglieder der ersten und zweiten Generation haben ihre Haftstrafen verbüßt. Zuletzt wurde Birgit Hogefeld 2011 aus der Haft entlassen, nach fast 20 Jahren im Gefängnis. Kein Mitglied der Linksterroristen ist seitdem mehr hinter Schloss und Riegel.

Geld für das Leben im Untergrund?

Und warum der Überfall, wenn er denn auf das Konto der RAF geht? Alle drei genannten Beteiligten sollen dem NDR-Bericht zufolge schon 1993 am Sprengstoffanschlag auf die Justizvollzugsanstalt in Weiterstadt in Hessen beteiligt gewesen sein. Auch damals seien ihre DNA-Spuren gefunden worden. Und gleich mehrmals gab es vor allem in Nordrhein-Westfalen seit 1997 Überfälle auf Geldtransporter, bei denen Panzerfäuste zum Einsatz gekommen sein sollen - wie auch jetzt in der Nähe von Bremen. Zuletzt gab es einen solchen Überfall Mitte Dezember 2015 in Dortmund.

Dienten diese Überfälle und vor allem der gescheiterte Versuch vom Sommer 2015 in der Nähe von Bremen der Finanzierung des immer noch andauernden Lebens im Untergrund? Wie vieles in der Geschichte der RAF bleibt auch das im Dunkeln - zunächst zumindest.