Gigaliner auf den Straßen
18. April 2012Schnell und leichtfüßig klettert Robert Hügelmeier in die Fahrerkabine und lässt sich in den Sitz fallen. Der luftgefederte, anatomisch geformte Sitz an seinem Arbeitsplatz schwingt kurz nach. Er schnallt sich an, startet den Motor und schließt die Fahrertür. Heute geht die Tour ins benachbarte Bramsche, 16 Kilometer vor der Toren Osnabrücks. Die 25 Meter, verteilt auf acht Achsen, machen schon was her. Hügelmeier, Fernfahrer aus Leib und Seele, schreckt der Lang-LKW nicht.
Seit 2005 fährt Robert Hügelmeier für die Osnabrücker Spedition Hellmann - Sattelzüge ebenso wie LKW mit Anhänger. Der Lang-LKW, mit dem er gerade das Speditionsgelände in Osnabrück verlässt, ist beides in einem. "Insgesamt sind wir knapp 25 Meter lang und können 150 Kubikmeter Ladung mitnehmen."
Hartnäckiges Negativ-Image
Nun also geht er endlich los - der Feldversuch mit den überlangen LKW. Drei herkömmliche LKW transportieren so viel wie zwei Lang-LKW. Entsprechend wird Sprit eingespart und Personal. Das Negativ-Image aber blieb. Zu groß, zu langsam, zu schwer seien die überlangen LKW für Straßen, Brücken und Bahnübergänge, sagen Kritiker.
Rene Stöcker, Deutschland-Chef bei der Spedition Hellmann, hat für derlei Einwände naturgemäß wenig Verständnis. "Der Lang-LKW misst maximal 25,25 Meter. In Hamburg fahren bereits Stadtbusse mit diesen Längen im Stadtverkehr." Die Lang-LKW setzt die Spedition ausschließlich im Depot-Depot-Verkehr ein. "Das heißt, wir sind auf Bundesautobahnen unterwegs, aber auf keinen Fall in den Innenstädten."
Einschränkungen beim Gigaliner
Der Lang-LKW, mit dem die Osnabrücker Spedition Hellmann am Feldversuch der Bundesregierung teilnimmt und der nach Bramsche unterwegs ist, hat Papierservietten und Tischdekorationen geladen. Mehr als 40 Tonnen kommen da nicht zusammen. 60 Tonnen Gesamtgewicht wären für einen Lang-LKW kein Problem. Aber in dem soeben angelaufenen Feldversuch ist bei 40 Tonnen Schluss.
Weitere Einschränkung: Robert Hügelmeier und seine Kollegen dürfen mit dem 25 Meter langen LKW nicht überholen, selbst auf Autobahnen nicht. Robert Hügelmeier nimmt es gelassen. So wie in engen Autohahn-Zufahrten oder wenn es in einen Kreisverkehr geht. "Die Dolly-Achse, auf dem der Sattelauflieger liegt, lenkt mit." Trotz seiner Überlänge hält der LKW selbst in engen Kurven die Spur; auch die letzten der acht Achsen touchieren den Randstein nicht.
Problemzonen
Probleme mag es bei Bahnübergängen geben. Wegen der Bodenunebenheiten passieren LKW sie häufig nur im Schritttempo. Die überlangen LKW könnten womöglich noch auf den Gleisen sein, wenn die Schranken schließen. Um brenzligen Situationen vorzubeugen, wollen die Bundesanstalt für Straßenwesen als ausführende Behörde und die am Feldversuch teilnehmenden Bundesländer ausschließlich Strecken ohne Bahnübergänge genehmigen.
Die von SPD und Grünen regierten Länder nehmen am Feldversuch nicht teil und setzen stattdessen ein Signal für die Stärkung des Schienengüterverkehrs. Sollte in den nächsten Jahren der Gütertransport tatsächlich um weitere 70 Prozent steigen, wäre beides heillos überlastet - das Straßen- wie das Schienennetz. Alternativen sind gefragt. Die Speditionsbranche reagiert allerdings verhalten, der Feldversuch mit den Lang-LKW läuft recht mühsam an.
Neben Hellmann aus Osnabrück haben sich bundesweit bisher lediglich drei weitere Speditionen gemeldet. Fünf Jahre lang läuft der Feldversuch des Bundesverkehrsministeriums. Was danach kommt, steht in den Sternen - sicherlich auch ein Grund für das zögerliche Verhalten der Speditionen, herkömmliche LKW zu einem Lang-LKW aufzurüsten.