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Politik

EU muss ihr Schicksal in die Hand nehmen

Barbara Wesel
3. Februar 2017

Ein Schritt voran in der Flüchtlingskrise: Mit Hilfe Libyens will die EU die Mittelmeerroute schließen. Und statt Panik wegen Trump zu verbreiten, fordert Merkel die Europäer zu Einigkeit auf. Aus Malta Barbara Wesel.

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Teilnehmer des EU-Gipfels in Malta (Foto: Getty Images/AFP/M. Mirabelli)
Bild: Getty Images/AFP/M. Mirabelli

Wenn die Weltlage ernst ist, sucht Angela Merkel neuerdings Zuflucht bei der Kunst: Betrachtete sie während der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump Gemälde französischer Impressionisten, interessierte sie sich beim EU-Gipfel in Malta für ein Gemälde von Caravaggio. Bei einem Stadtrundgang durch Valletta wurde den Regierungschefs dessen blutige "Enthauptung von Johannes dem Täufer" gezeigt. Wie zur Erinnerung an allerhand düstere Bedrohungen. Dennoch wirkten die Teilnehmer bei strahlendem Sonnenschein ungeachtet der Weltlage ziemlich entspannt.

Aufruf zur Einigkeit

In ihrer vorsichtigen Art machte die Bundeskanzlerin nicht beim Trump-Bashing mit, dem durch den sehr deutlichen und beunruhigten Einladungsbrief von Ratspräsident Donald Tusk die Tür geöffnet war. "Es gibt eine breite Übereinstimmung, dass wir eine gute transatlantische Partnerschaft wollen", sagte Merkel nur, und da gebe es einige Gemeinsamkeiten, wie etwa die Bekämpfung des Terrorismus, und andere Themen, bei denen die EU künftig mehr allein machen müsse. Etwa bei den Beziehungen zu Afrika und bei der Verteidigung.

"Wir müssen unsere Werte betonen und unsere Interessen wahren", so die Bundeskanzlerin. Und ihre zentrale Botschaft ist: "Wir sind dann stark, wenn wir unsere Probleme gemeinsam lösen. Wir haben unser Schicksal selbst in der Hand." Andere Regierungschefs zeigen ihre Sorge da offener: "Trump hat jetzt schon genug Maßnahmen umgesetzt, die Grund zur Beunruhigung geben", sagte etwa der österreichische Kanzler Christian Kern. Und auch Frankreichs Präsident Francois Hollande erneuerte seine Kritik an der neuen US-Politik.

Auf der Seitenlinie

Die britische Premierministerin erlebte in Malta einmal mehr, dass sie zwar noch mit aufs Familienfoto darf, ansonsten aber keine große Rolle mehr spielt. Sie berichtete von ihrem Besuch in Washington und überbrachte den EU-Regierungschefs die Botschaft, dass Donald Trump eigentlich doch zu 100 Prozent hinter der NATO stehe. Aber die Skepsis bleibt: Schließlich weiß niemand, was angesichts des volatilen Präsidenten von solchen Versprechen zu halten ist. 

May forderte auch die Europäer in Namen der USA dazu auf, endlich die seit jeher unerfüllte Zielvorgabe von zwei Prozent des Inlandsproduktes für die Verteidigung einzusetzen. Aber auch dafür fand sie kein offenes Ohr: Zu sauer sind viele EU-Länder - darunter Deutschland - dass die Briten seit Jahren die Verteidigungszusammenarbeit in Europa blockiert hatten. Erst seit dem Brexit ist die in Bewegung gekommen.

EU-Gipfel auf Malta May und Merkel
Erst Trump, dann EU-Gipfel: Die britische Premierministerin Theresa May kam auch nach MaltaBild: Getty Images/L. Neal

Irgendwie scheint die britische Premierministerin zu hoffen, dass sie die Brücke nach Washington spielen könnte. Aber die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite sagte dazu nur bissig: "Wir brauchen keine Brücke - wir kommunizieren mit den USA per Twitter." Und Angela Merkel ließ die Drohung einer konzertierten amerikanisch-britischen Unternehmenssteuersenkung kühl abtropfen: "Wir brauchen keinen weltweiten Wettbewerb um die niedrigsten Steuern."

Der neue Flüchtlings-Deal mit Libyen

"Die Arbeiten zur Migration nehmen jetzt Gestalt an", lobte Angela Merkel dann den einzig greifbaren Erfolg dieses Gipfeltreffens. Man werde jetzt alles daran setzen, die zentrale Mittelmeerroute zu schließen, ähnlich wie es durch das Abkommen mit der Türkei gelungen sei. Die Kanzlerin räumt dabei ein, dass die politische Lage in Libyen schwierig bleibe und dass Rebellengeneral Haftar mit russischer Unterstützung eine Rolle in einer neuen Einheitsregierung finden müsse. Allen ist klar, dass der derzeitige EU-Gesprächspartner, Libyens Premierminister Fajis al-Sarradsch, seine Zusagen nur begrenzt einhalten kann.

Aber der Plan steht im Prinzip: Italien hat schon ein bilaterales Abkommen mit Libyen geschlossen, um die rechtlichen Probleme für die EU zu umgehen. Die EU unterstützt wiederum die Italiener bei der Ausbildung der libyschen Küstenwache, die dafür sorgen soll, dass die Schlauchboote der Schlepper gar nicht mehr in See stechen. Die Flüchtlinge sollen im Prinzip im Land gehalten werden, wobei die EU davor zurückschreckt, selbst Verantwortung für die Einrichtung von Aufnahmelagern zu übernehmen. Dafür sollen internationale Organisationen, das UN-Flüchtlingswerk und andere sorgen. 200 Millionen Euro haben die Europäer al-Sarradsch für seine Kooperation angeboten. Der hat schon kritisiert, das sei zu wenig Geld. Aber daran wird dieser Plan nicht scheitern, eher an der anhaltenden Unsicherheit im Land.

Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen haben das Vorhaben scharf kritisiert. Sie berichten von schwersten Menschenrechtsverletzungen in libyschen Lagern, wo Migranten unter entsetzlichen Bedingungen festgehalten würden. Aber das hält die Regierungschefs nicht von ihren Plänen ab: Zu wichtig ist ihnen das Ziel, den Zustrom von Migranten aus Afrika zu stoppen. Angela Merkel will dabei zum Beispiel auch weiter mit Ländern wie Äthiopien verhandeln, die etwa Flüchtlinge vom benachbarten Eritrea und Sudan aufnehmen könnten. Wenn die Außengrenzen zu Europa dann schließlich nahezu dicht sind, dann werde die Bereitschaft der Mitgliedsstaaten größer sein, einem neuen EU-Asylrecht zuzustimmen. Und dann wäre nach zwei Jahren des Streits eines der größten Probleme Europas gelöst, was bis zum Sommer gelingen soll.