Gipfel ohne Granteln
3. Juni 2003Erstmals seit dem Ende des Irak-Krieges haben sich US-Präsident George W. Bush und Bundeskanzler Gerhard Schröder persönlich getroffen und die Hand gegeben. Auf dem Abschluss-Diner der 300-Jahr-Feier in der russischen Stadt Sankt Petersburg ging Bush am Samstagabend (31.5.2003) auf den Kanzler zu und sprach einige Worte mit ihm.
Bush wollte mit seiner ersten Begegnung mit Gegnern des Irak-Krieges Risse im amerikanisch-europäisch Verhältnis kitten. Schröder glaubt, dass die Versöhnung zwischen Kriegsgegnern und Kriegsbefürwortern Fortschritte macht: "Alle Seiten haben erklärt, es ginge nicht darum, ein Stück Zeitgeschichte aufzuarbeiten, sondern nach vorne zu blicken."
Bush auf Gesprächstour
US-Präsident Bush hatte vor seinem Eintreffen in Petersburg die Europäer zur Einigkeit im Kampf gegen den Terrorismus aufgerufen. Viele Europäer wollen nun von Bush wissen, warum sein Vize-Verteidigungsminister die Massenvernichtungswaffen nicht mehr als maßgeblichen Kriegsgrund für den Angriff auf den Irak bezeichnet. Am Sonntag (1.6.2003) werden sich Bush und Wladimir Putin zu einem Vier-Augen-Gespräch treffen. Dabei wird es auch um den Iran gehen, den US-Außenminister Colin Powell aufgefordert hatte, alle Terroristen auszuliefern. Bush wies in einem Interview zurück, dass der Iran das nächste Kriegsziel der Amerikaner sei.
Ausgiebige Feiern in der Jubiläumsstadt
Der Zeitplan der 300-Jahr-Feier geriet aus den Fugen, während Kolonnen schwarzer Limousinen ständig durch die abgesperrte Stadt rasten. Ein logistischer Gewaltakt und eine Zumutung auch für die angereisten über 40 Staats- und Regierungschefs, meinte einer der Diplomaten, die das Spektakel von früh bis spät miterlebten. Offiziell lächelten die Gäste und taten dem russischen Präsident Putin den Gefallen, gleich in drei renovierten Zaren-Palästen an einem Tag glänzen zu können.
Ein Höhepunkt der Feierlichkeiten war die Einweihung des wiederhergestellten Bernstein-Zimmers im Katharinen-Palast in Zarskoje Selo. Zusammen mit Bundeskanzler Schröder betrat nach 24 Jahren Restaurierung der russische Präsident Putin den ganz in kostbarem Bernstein getäfelten Saal. "Wir haben das legendäre Bernstein-Zimmer besichtigt, das durch die gemeinsame Arbeit von russischen Restaurateuren und die finanzielle Unterstützung durch Deutschland wieder ins Leben gerufen wurde", sagte Putin.
"Dieses Kunstwerk ist ein Symbol für unsere neuen Verhältnisse im vereinten Europa. Ich möchte mich bei allen deutschen Kollegen bedanken, die an der Arbeit teilgenommen haben", so Putin. Die deutsche Wehrmacht hatte im Zweiten Weltkrieg 1942 das Bernstein-Zimmer abtransportiert. Es wurde nie wieder gefunden. Um seinen Verbleib ranken sich viele Legenden. Seit 1979 wurde an einer Kopie für den Katharinen-Palast gearbeitet. Die Restaurierung konnte dank einer 3,5 Millionen Dollar-Spende eines deutschen Energieversorgungsunternehmens vollendet werden.
Strategische Partnerschaft zwischen EU und Russland
In betont freundlichen Reden während des Gipfeltreffens zwischen Europäischer Union, den Beitrittskandidaten und Russland gelobten die Teilnehmer eine neue strategische Partnerschaft. Russland wurde ein visafreier Reiseverkehr unverbindlich in Aussicht gestellt. Die Lage in der abtrünnigen russischen Republik Tschetschenien wurde kurz gestreift. Die EU und Russland wollen dort zusammen Recht und Ordnung wiederherstellen.
Bundeskanzler Schröder sieht Europa und Russland auf gutem Weg: "Das Ereignis hier macht deutlich, wie ernst und wie wichtig das Russland unter Präsident Putin genommen wird. Und zwar sowohl von den Europäern als auch von den anderen Beteiligten. Russland und die Europäische Union begrüßen die Erweiterung der Union auch um die ehemaligen Sowjetrepubliken im Baltikum. Die Erweiterung sei für beide Seiten ein Gewinn.