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Weltweit gleiche Ziele

Helle Jeppesen23. September 2015

Die internationale Entwicklungspolitik soll ab dem 1. Januar 2016 nachhaltig werden. Staats- und Regierungschefs haben auf dem UN-Gipfel in New York die neuen Entwicklungsziele, kurz SDGs, verabschiedet.

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Symbolbild Crossing Cultures Globalisierung
Bild: Fotolia/DragonImages

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller nennt den neuen UN-Leitfaden der globalen Zusammenarbeit einen "Weltzukunftsvertrag", UN-Generalsekretär Ban Ki Moon einen "Vertrag der Menschen". Der große Unterschied zu den vorherigen Millenniumszielen sei, "dass sie universell sind", sagt Jens Martens, Geschäftsführer vom Global Policy Forum in Bonn. "Das sind Ziele, die in allen Ländern der Welt, inklusive Deutschland, angewendet werden müssen".

Die 17 neuen Entwicklungsziele sollen nicht nur das Nicht-Erreichte der Vorgängerziele, der MDGs, nachholen und endgültig die globale Armut abschaffen, sondern dabei helfen, die globalisierte Welt für Umwelt und Mensch nachhaltig zu gestalten.

Es geht bei der neuen Entwicklungsagenda der Vereinten Nationen auch um ökologische Themen wie Klimaschutz und Artenschwund. Die SDGs sprechen Frieden und Demokratie ebenso an wie die Nachhaltigkeit von Produktion und Konsum in den reichen Ländern und das Überwinden sozialer Ungleichheit.

Globales Verteilungsproblem

Vor allem, so Jens Martens, hat die globalisierte Welt heute ein Verteilungsproblem:

"Armut ist eigentlich nicht das Problem. Das Problem ist die wachsende Ungleichheit in der Gesellschaft.", sagt er. Nicht nur zwischen Nord und Süd, sondern auch in den einzelnen Ländern. "Wir müssen auf die wachsende Kluft zwischen Armut und Reichtum schauen", so Martens.

Diese Kluft wächst seit Jahren. Eine Studie der Entwicklungsorganisation Oxfam kommt zu dem Schluss, dass die 80 reichsten Menschen der Welt so viel besäßen wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung zusammen.

Jens Martens, Global Policy Forum Bonn
Warnt vor wachsender Ungleichheit: Jens Martens, Global Policy ForumBild: DW/H. Jeppesen

Der sogenannte Trickle-Down-Effekt - die Theorie, dass vom Wirtschaftswachstum letztendlich so viel nach unten sickert, dass auch die Ärmsten davon profitieren – hat sich in der Vergangenheit nicht bewährt. Paul Ladd, Leiter des Post-2015-Teams beim UNDP, dem Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, bezeichnete die Reduzierung von Ungleichheiten als ein politisch sehr heißes Thema. Er war positiv überrascht, dass die Verteilungsfrage in den Katalog der 17 neuen Entwicklungsziele aufgenommen wurde.

Komplexe Globalisierung

An den neuen nachhaltigen Entwicklungszielen schätzt der UNDP-Experte vor allem, dass sie sehr umfassend sind und die Komplexität der Lebensumstände in unserer globalisierten Welt berücksichtigen.

"In den Gesprächen, die wir auf der ganzen Welt geführt haben, haben uns die Menschen berichtet, dass sie nicht in von einander abgeschotteten Kästen leben. So hängt zum Beispiel die Armut auch immer auch mit der Sicherheits- und Umweltsituation der Armen zusammen. Um die Probleme zu lösen, sind daher komplexe und differenzierte Ansätze nötig", so Paul Ladd in einem früheren Gespräch mit der DW.

Infografik UN-Ziele 2030 Deutsch

"Die Länder werden wahnsinnig"

Es gibt insgesamt 17 nachhaltige Entwicklungsziele – auf Englisch "Goals" genannt. Und 169 Unterziele, sogenannte "Targets", die auf ihre Umsetzung und Wirksamkeit überprüft werden müssen. "Die Länder werden wahnsinnig", warnte der indische Ökonom Bibek Debroy angesichts der gewaltigen Datenmenge, die zur Überprüfung der Ziele und Unterziele gesammelt werden muss.

"Viele kleinere Länder mit schwachen Verwaltungen werden viel Hilfe brauchen, um ihre Daten-Kapazitäten aufzubauen," gibt auch der irische UN-Botschafter in New York, David Donoghue, zu. Er hat zusammen mit dem kenianischen UN-Botschafter Macharia Kamau die Abschlussverhandlungen über die SDGs geleitet.

Um die Umsetzung der Ziele zu überprüfen, werde es "ein hochrangiges politisches Forum geben. Dieses soll einmal im Jahr tagen und die Berichte der Mitgliedstaaten über ihre nationale Umsetzung der Ziele entgegen nehmen", berichtet David Donoghue im DW-Gespräch.

Private Investoren gesucht

Bei den Verhandlungen vorab zu der Verabschiedung der nachhaltigen Entwicklungsziele ging es auch um die große Frage der Finanzierung der neuen SDGs. Auf eine eigens einberufene Konferenz Mitte Juli in Addis Abeba kamen die UN-Mitgliedstaaten überein, wie die Umsetzung der Ziele finanziert werden sollen.

Äthiopien International Conference on Financing for Development in Addis Abeba
Setzt auf Privatwirtschaft: UN Generalsekretär Ban Ki Moon auf der Konferenz für die Finanzierung der SDGsBild: Reuters/T. Negeri

Da ist vor allem von der Einbindung der privaten Wirtschaft die Rede, um die rund 2500 Milliarden Dollar zu finanzieren, die das neue UN-Entwicklungsprogramm schätzungsweise kosten wird. Jens Martens von Global Policy Forum ist skeptisch:

"Aus unserer Sicht ist die Hoffnung auf die Investitionsbereitschaft der privaten Unternehmen absolut trügerisch."

Den größten Beitrag, den die Privatwirtschaft für die SDGs leisten könnte, so Jens Martens, wäre, wenn sie mit ihren Investitionen die grundlegenden Sozial- und Umweltstandards einhalten würden. Auf freiwilliger Basis werde das kaum passieren, meint er und fordert, "dass die Regierungen private Unternehmen wesentlich stärker als in der Vergangenheit in die Pflicht nehmen und dafür sorgen, dass die Unternehmen diese Standards einhalten."

Milliarden von Süd nach Nord umverteilt

Auch bei der Ankündigung in Addis Abeba, die globale Steuerflucht einzudämmen, gebe es politischen Handlungsbedarf, meint Martens. Er schätzt die Größenordnung der Umverteilung vom Süden in den Norden auf über eine Billion US-Dollar pro Jahr ein. Diese Summe umfasse alle Finanztransfers und übersteige die offizielle Entwicklungshilfe der reichen Länder um ein vielfaches.

Die UNCTAD, die UN Konferenz für Handel und Entwicklung, geht davon aus, dass allein durch Steuerflucht den Entwicklungsländern jährlich rund 100 Milliarden Dollar verloren gehen. Bei der Finanzierungskonferenz in Addis Abeba ist es den Ländern des Südens jedoch nicht gelungen, eine UN-Organisation zur Überwachung der globalen Steuerströme durchzusetzen.

Steueroase Symbolbild
Steuerflucht kostet jährlich den Entwicklungsländern rund 100 Milliarden US DollarBild: picture-alliance/dpa

UN kein Allheilmittel

Es wäre, so Jens Martens, allerdings auch vermessen zu denken, dass die neuen nachhaltigen Entwicklungsziele mit einem Schlag alle Probleme lösen könnten:

"Die Vereinten Nationen, die SDGs und die 2030- Agenda sind nicht allein dafür verantwortlich, dass es allen Menschen auf der Welt besser geht und dass sich plötzlich das Bewusstsein, die Denkmuster, weltweit verändern."

Es sei ein langer Prozess, bis auch die Industrieländer ihr Produktions- und Konsumverhalten nachhaltig verändern. Immerhin gehen mit den SDGs die reichen Industrieländer die politische Verpflichtung ein, auch ihre eigenen Gesellschaften ökologisch und sozial nachhaltig zu gestalten.

Mit dem Inkrafttreten der SDGs am 1. Januar 2016 haben alle UN-Mitgliedstaaten fünfzehn Jahre Zeit, die Welt nach der neuen Entwicklungsagenda nachhaltiger und besser zu machen.