Die Pinguine von Patagonien
14. Juli 2015Die leuchtend blauen Schilder auf Punta Tombo lassen keinen Zweifel daran, dass hier etwas Besonderes ist. In englischer Sprache und mit Abbildungen werden die Besucher darauf hingewiesen, wofür die kleine, sandige Halbinsel an Argentiniens Küste berühmt ist: Pinguine.
Die Landzunge ist seit jeher ein wichtiger Lebensraum für die flugunfähigen Vögel. Mehr Exemplare der Tiere als hier gibt es in ganz Südamerika nicht. Hunderttausende Magellan-Pinguine kommen jeden September, um hier ihre Eier auszubrüten und ihre Jungtiere aufzuziehen. Aber das wird zunehmend schwieriger für die Tiere. Denn immer mehr Touristen folgen den blauen Schildern. Klimawandel und Industrie an der Küste des Landes beeinflussen den Lebensraum der schwarz-weiß gefiederten Vögel spürbar.
Mehr als 100.000 Touristen kommen im Jahr nach Punta Tombo. Die meisten von ihnen wegen der Pinguine. Die große Zahl der Besucher ist nicht unproblematisch, sagt Graham Harris, der Leiter des Argentinien-Programms der Umweltschutzorganisation Wildlife Conservation Society (WCS): "Es ist problematisch, die große Zahl der Menschen, die Zugang zu den Pinguin-Kolonien wollen, in geordnete Bahnen zu bringen", sagt er.
Einerseits sorgt die Menschenmenge dafür, dass Raubtiere wie Füchse und Möwen den Kolonien fernbleiben. Andererseits seien für die Touristen neue Anlagen gebaut worden. Diese belasteten die ohnehin schon knappen Wasserressourcen. Außerdem würden Abwasser ins Meer gelangen. Zwar würde deutlich gemacht, dass eine Touristengruppe 15 Personen auf einmal nicht überschreiten dürfe. Es gebe aber auch Busse, die wesentlich größere Gruppen zu inoffziellen Touren an die Küste bringen.
Die Idee zu kleinen Touristengruppen formulierte der WCS zum ersten Mal in den 1960er Jahren, um eine Alternative zu einem Angebot des japanisches Unternehmen "Hinode Penguin" zu haben. Die Firma wollte von der argentinischen Regierung die Erlaubnis, Pinguine wegen ihrer Haut zu jagen. Etwas später, in den 1970er Jahren flossen Gelder von der WCS und dem Zoo Frankfurt. Mit ihnen wurde die erste Station für Wildhüter auf Punta Tombo finanziert. Deren primäre Aufgabe war es, die Pinguine zu beschützen.
Sieg eines Schutzgebiets
Seit dieser Zeit hat sich viel getan. Erst vor wenigen Wochen ist es Umweltschutzgruppen gelungen, ein UNESCO-Biosphärenreservat durchzusetzen. Das Blue Patagonia genannte Gebiet ist 3,1 Millionen Hektar groß und hat damit in etwa die Ausmaße Belgiens. Etwa 58 Prozent der Fläche sind auf dem Meer, der Rest ist Landmasse, darunter auch Punta Tombo.
Das Reservat verfügt über einen nachhaltigen Management-Plan für jedes Schutzgebiet in seinem Bereich. Darin ist auch eine Begrenzung der Größe von Touristengruppen und der Umgang mit Abfällen enthalten. Rechtlich bindend ist der Plan allerdings nicht. Trotzdem begrüßt Pablo Garcia Borboroglu den Ansatz. Der Präsident der Global Penguin Society (GPS), sagt, dass es notwendig sein wird, Anpassungen vorzunehmen, "weil es verpflichtend ist, der UNESCO Bericht zu erstatten."
Trotzdem ist das nur der erste Schritt zum Schutz der Pinguine. Ihre Population an der argentinischen Küste ist immerhin die größte ihrer Art in Südamerika. Ein weiterer wichtiger Aspekt soll sein, die Vögel ins Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen.
Früherziehung
Laut Borboroglu erfahren die Kinder der Gegend bereits in der Schule eine Menge über das Leben der Pinguine und ihren Lebensraum. Jedes Jahr nimmt die GPS 700 Kinder mit auf die Halbinsel, um die Pinguine zu beobachten und das modernisierte Penguin Interpretation Center zu besuchen. Diese Ausflüge bringen eine Menge, sagt Borboroglu. "Die Argentinier haben sich in ihrer Nähe immer sehr schlecht benommen. Das ist heute ganz anders."
"Touristen und Besucher können sehr viel über den Schutz der Pinguine lernen, wenn er gut funktioniert", sagt Dee Boersma über den Sinn von nachhaltigem Tourismus. Boersma leitet das Magellanic Penguin Project auf Punta Tombo seit 1982. Aber die Bemühungen müssen weiter reichen. Weil Magellan-Pinguine einen Kilometer von der Küste entfernt nisten, findet die Aufzucht der Jungen häufig auf privatem Grund statt. GPS und Wildlife Conservation Society müssen deshalb auch mit Landbesitzern über den Schutz dieser Gebiete reden. Sie müssen auch über Warnhinweise für Boote nachdenken, die die Reiseroute der Vögel kreuzen.
Die Schutzbemühungen auf offener See haben bereits Wirkung gezeigt. Heute zeigen nur noch etwa ein Prozent der Pinguine, die tot am Strand gefunden werden, Ölspuren. Anfang der 1980er Jahre lag deren Zahl noch bei knapp 80 Prozent. Der Wert sank, weil die Routen der Öltanker inzwischen 40 Kilometer weiter von der Küste entfernt verlaufen.
Weitere Bedrohungen
In einer aktuellen Studie der University of Washington stellt Boersma fest, dass auch der Klimawandel für den Tod vieler Pinguine verantwortlich ist. Pinguine können nicht schwitzen. Um sich abzukühlen, hecheln sie wie Hunde. Außerdem erweitern sie ihre Blutgefäße, um durch Füße und Flossen Hitze loszuwerden. "Wenn es zu heiß wird, sterben viele Pinguine, weil sie ihr Blut brauchen, um Nahrung zu verdauen", sagt Boersma. "Sie können es in der Zeit nicht benutzen, um Wärme über Füße und Flossen abzuleiten."
Auch Jungtiere, die zu groß sind, um unter ihren Eltern Schutz zu finden, sind in Gefahr. Sie besitzen noch kein wasserabweisendes Gefieder, Starkregen setzt ihnen besonders zu.
Ein weiteres Problem sind illegaler Fischfang und eine Überfischung in den Lebensräumen der Tiere. Pinguine, aber auch andere Meerestiere brauchen in etwa ein Drittel der verfügbaren Fischbestände, um ihr Überleben zu sichern. Außerdem pumpen kleine Schiffe weiterhin Öl ins Wasser, um das Geld für die Verklappung im Hafen zu sparen.
"Wenn wir die Lebensräume der Pinguine so schützen wollen, wie sie es brauchen, müssen wir auch der Regierung helfen, das Richtige zu tun", sagt Boersma. "Pinguine haben keine eigene Stimme. Also müssen die Menschen ihre Stimme benutzen, um ihnen zu helfen."